Die Krisen-Zeche zahlt der Bürger

Komplexe Regulierung der Finanzmärkte kommt weltweit nur im Marathontempo voran

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Dreieinhalb Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise ist die Regulierung von Banken und Finanzmärkten weiter als viele meinen. Doch viel bleibt zu tun.
Zeichnung: Christine Pfohlmann
Zeichnung: Christine Pfohlmann

Das waren noch Zeiten, als Bundeskanzlerin Angela Merkel »die Lasten der Krise fair verteilen« und die EU-Kommission den »Finanz-Wild-West« bändigen wollte. Mit der wirtschaftlichen Belebung im vergangenen Jahr verschwanden solch harsche Drohungen gegen Banken und Finanzdienstleister aus den Schlagzeilen. Doch das letzte Wort über die Regulierung von Banken und Finanzmärkten ist noch nicht gesprochen.

Tatsächlich hat die Politik auch in Deutschland einiges in Bewegung gesetzt auf den Baustellen »Regeln« und »Aufsicht«. Die Große Koalition und die ebenfalls von Merkel geführte schwarz-gelbe Regierung haben die Einkommen von Bankmanagern geregelt, Leerverkäufe von Aktien vorübergehend verboten und sogenannte Verbriefungen reguliert, bei denen Kredite in Wertpapiere umgewandelt werden. Spekulationen mit solchen Verbriefungen gelten als ein Auslöser für die Finanzkrise.

»Die Maßnahmen sind alle nicht durchgreifend«, kritisiert jedoch Detlev von Larcher aus dem Attac-Vorstand. So hat der Bundestag im Sommer ein Gesetz verabschiedet, wonach Banken einen Teil jeder Verbriefungstransaktion in ihrer Bilanz halten müssen. Dies soll dazu führen, dass Banken nur noch solide Angebote machen. Doch der Eigenanteil bleibt mit zehn Prozent eher Kosmetik, und die EU sieht sogar nur fünf Prozent vor. Und bei der Finanzaufsicht, die vor der Krise versagt hatte, bleibt es bei der umstrittenen Aufteilung zwischen Bundesbank und BaFin.

Und wer zahlt die Zeche? Für die Kosten der Krise werden die deutschen Banken pro Jahr etwa eine Milliarde Euro in Form einer Finanzaktivitätsteuer zahlen müssen, schätzt der Branchenverband BdB. Für einen »Banken-Restrukturierungsfonds« könnte eine weitere knappe Milliarde fällig werden. Angesichts von 500 Milliarden Euro an Bürgschaften und Kapitalhilfen, die alleine der Bund im Rahmen der Finanzmarktkrise aufbrachte, bleiben die allermeisten Kosten so bei den Bürgern hängen. Wie hoch diese unterm Strich tatsächlich ausfallen werden, weiß heute noch niemand.

In Deutschland, und nicht nur da, sind die Bankenabgaben lächerlich gering, findet der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Trotzdem wehrt er sich gegen den »Standardspruch«, es sei nichts passiert. »Es gibt einen riesigen Gesetzgebungsaktivismus, hauptsächlich europäisch beziehungsweise weltweit, und das dauert halt alles«, so Giegold. Deswegen seien die Großbaustellen noch nicht fertig. »Solange ist es schwer, ein endgültiges Urteil zu fällen.«

Dass die dringende Regulierung nur im Marathontempo vorankommt, liegt an der Kompliziertheit der Materie und den Bremsaktivitäten der Finanzlobby. Die große Mehrheit der EU-Länder wird konservativ regiert, im Europaparlament dominiert eine konservativ-liberale Mehrheit. Das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft ist da schwer durchzusetzen.

Die drei neuen EU-Finanzaufsichtsämter in Frankfurt, London und Paris hält Giegold für einen »großen Schritt vorwärts«, auch wenn er sich mehr gewünscht hätte. Die Konkurrenz durch die 27 nationalen Aufsichtsbehörden bleibe bestehen, doch gebe es nun einheitliche Regeln. »Die« noch offene Großfrage lautet für Giegold: »Haftet in der nächsten Krise wieder der Staat?« Zur Restrukturierung systemrelevanter Banken will die EU-Kommission im Sommer einen Vorschlag vorlegen. Und mit den Beschlüssen des letzten G20-Gipfels in Seoul im November liege ein globaler Leitfaden vor, an dem sich die EU orientiert und dem USA und Asien folgen wollen.

Andere Baustellen wie Schattenfinanzplätze oder Hedgefonds wurden bislang kaum oder gar nicht bearbeitet. »Die Fonds kommen wieder«, warnt Axel Troost, Finanzmarktexperte der LINKEN: »Das Problem ist, dass wir zwar viele Regulierungen im Bankenbereich haben – immer noch zu wenige – und die Fonds möglicherweise genau in die Lücke springen, die die Banken nicht mehr füllen.« Schon in diesem Jahr könnten sie wieder ihr Allzeithoch von über 10 000 Fonds erreichen.

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