Altern, Krankheit, Tod

»Satte Farben vor Schwarz« von Sophie Heldman

  • Jone Karres
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine attraktive ältere Frau geht durch die Fußgängerzone. Unerwartet erblickt sie ihren Mann, er trägt Einkaufstüten. Als sie ihn ruft, reagiert er nicht. Sie folgt ihm verwundert bis in eine steril eingerichtete, ihr unbekannte Wohnung und stellt ihn zur Rede. Wider Erwarten hat ihr Mann keine heimliche Geliebte, sondern sucht lediglich einen Zufluchtsort, an dem er allein sein und in aller Ruhe Nachdenken kann.

Anita und Fred sind seit fast 50 Jahren glücklich verheiratet, haben einen erwachsenen Sohn und eine erwachsene Tochter, die Enkelin steht kurz vor dem Abitur. Ihr Vorstadthaus wirkt wie eine Festung bürgerlich-kultivierter Behaglichkeit. Fred ist pensioniert, doch als ehemaliger erfolgreicher Geschäftsmann findet er im Alltag kaum mehr Bestätigung. Anita dagegen genießt ihren gemütlichen Lebensabend an der Seite ihres Mannes. Beide blicken auf ein erfülltes und farbenfrohes Leben zurück, das aber, wie der symbolträchtige Titel »Satte Farben vor Schwarz« andeutet, allmählich von seinem nahenden Ende überschattet wird: Fred hat Prostatakrebs.

Beide wissen um die Krankheit. Ihre Kinder wollen sie mit der schlimmen Nachricht so lange es geht verschonen. Das Ehepaar ist aus seiner Routine geworfen und ins Schleudern geraten. Es muss lernen, mit der neuen Situation und vor allem miteinander klarzukommen.

»Satte Farben vor Schwarz« ist der Debütfilm der 37-jährigen Regisseurin Sophie Heldman und gleichzeitig die Abschlussarbeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). Man kann es für etwas ungewöhnlich halten, dass eine junge Filmemacherin sich gleich zu Beginn ihrer Laufbahn an so ernste und schwierige Themen wie Altern, Krankheit und Tod wagt. Die Nachwuchsregisseurin orientierte sich an der Generation ihrer Eltern, deren Lebenserfahrung, und das gab dem Drehbuch Kraft. Und das alternde Ehepaar wird mit großer Präsenz von Altmeister Bruno Ganz und Senta Berger gespielt, die nach langjähriger Abwesenheit auf der Kinoleinwand wieder in einer Filmrolle zu sehen ist.

Was die große Qualität dieses Films ausmacht, ist das Vermeiden von Klischees, die Zurückhaltung und Subtilität seiner Inszenierung. Er ist ein Kammerspiel, in dem die Alltagsroutinen des Paars mit großer Genauigkeit im Detail, mit Gespür für Stimmungen und Momente gezeichnet sind. Dazu gehören die kleinen Gesten, Blicke und das Schweigen, mit der anfängliche Entfremdung und vorsichtige Annäherung dargestellt werden.

Er ist für die Regisseurin eine romantische Liebesgeschichte. Eine zwischen zwei Menschen, die sich trotz Krisen und Streitigkeiten innig verbunden sind und angesichts der Unausweichlichkeit des nahenden Todes nach einer Lösung suchen, Würde zu bewahren.

»Wir haben nie über das Ende gesprochen, immer nur über das, was davor kommt«, stellt Fred fest. Vor vielen Jahren hatten er und Anita sich ein Versprechen gegeben, es klang wie »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen«. – Sie ziehen es durch, am Ende, so radikal wie unerwartet. Mutig und konsequent.

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