Muss Berlusconi auf die Anklagebank?

Heute entscheidet Italiens Verfassungsgericht über das Gesetz zur Politikerimmunität

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Während es bei den gestrigen Regierungskonsultationen zwischen Angela Merkel und Silvio Berlusconi in Berlin um die Rettung des Euro ging, steht heute in Rom gleichsam das politische Schicksal des italienischen Ministerpräsidenten auf der Tagesordnung: Das Verfassungsgericht entscheidet, ob die vorübergehende Aussetzung der Strafverfolgung für alle Regierungsmitglieder Bestand hat. Für Berlusconi heißt das konkret, dass er sich möglicherweise gleich in drei Prozessen verantworten müsste.

In Italien nennt man das Gesetz, das im April 2009 verabschiedet wurde, »Legitime Verhinderung«. Es sieht vor, dass allein die Tatsache, dass jemand Regierungsverantwortung trägt, ein ausreichender Grund ist, um einen eventuellen Prozess gegen ihn auszusetzen. Die Verfassungsrichter müssen jetzt entscheiden, ob dieses Gesetz den Normen des italienischen Grundgesetzes entspricht oder nicht unter anderem gegen das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz verstößt.

Die obersten Richter haben im Wesentlichen drei Möglichkeiten. Entweder erklären sie die absolute Unzulässigkeit der Norm. In diesem Fall muss Silvio Berlusconi sich den Richtern in Mailand stellen, die unter anderem wegen Steuerhinterziehung und Zeugenbestechung gegen ihn vorgehen. Dies könnte auch das Aus für diese Regierung bedeuten, die nach dem knappen Vertrauensvotum im Dezember sowieso schon auf sehr unsicheren Füßen steht. Außerdem würde sich das allgemeine Klima im Land noch weiter verschärfen, da Berlusconi in diesem Fall schon einen »globalen Feldzug gegen die politisierte Justiz« angekündigt hat, was auch unter seinen derzeitigen Verbündeten mit Sorge gesehen wird.

Die zweite Möglichkeit wäre, dass das Gericht erklärt, die Norm verstoße nur teilweise gegen die Verfassung und jeder Richter müsse von Fall zu Fall entscheiden, ob der Angeklagte Berlusconi tatsächlich gute Gründe hat, nicht vor Gericht zu erscheinen. Auch das wäre für den Regierungschef nicht besonders beruhigend, weil er dann auf Gedeih und Verderb gerade den Richtern ausgeliefert wäre, die er mal als »menschlich widerlich« und mal als »kommunistische, umstürzlerische Kraft« bezeichnet.

Aber selbst wenn das Verfassungsgericht die »Legitime Verhinderung« für zulässig erklären sollte, was eigentlich kaum ein Experte für wahrscheinlich hält, stünde dem Ministerpräsidenten keine ruhige Zeit bevor. Denn dann würde im kommenden Frühjahr ein Volksentscheid zu diesem Thema stattfinden. Eine Million Italiener haben nämlich in den vergangenen Monaten den Antrag unterzeichnet, dieses Gesetz per Referendum abzuschaffen.

Das Verfassungsgericht muss in diesen Tagen auch über die Zulässigkeit dieses Volksentscheides entscheiden. Sollte es das Gesetz akzeptieren, muss es fast zwingend auch ein Referendum dagegen zulassen. Für Berlusconi würde das heißen, dass die politische Agenda der kommenden Monate vom Thema seiner Strafverfolgung beherrscht wird und sich praktisch alle Oppositionsparteien geschlossen für die Abschaffung des Gesetzes aussprechen würden. In diesem Klima wäre eine Erweiterung der augenblicklichen Regierungsmehrheit, wie Silvio Berlusconi sie anstrebt, kaum möglich. Und mit einer Mehrheit von nur drei Stimmen lässt es sich in Italien nun mal kaum regieren.

Wie man es auch dreht und wendet: Die Entscheidung der Verfassungsrichter bringt Italien einen Schritt näher an vorgezogene Neuwahlen heran. Und auch Berlusconi scheint das zu wissen, da er in diesen Tagen ein neues Marketingkonzept für seine Partei ausarbeitet. Zuerst einmal soll sie nicht mehr den Namen »Volk der Freiheit« tragen, weil dieser zu sehr an den Mitbegründer Gianfranco Fini erinnert, der inzwischen eine eigene Partei gegründet und die Regierungsmehrheit verlassen hat. Ersten Gerüchten zufolge soll die neue Berlusconi-Partei schlicht »Italien« heißen.

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