Neues Mandat für neue Kämpfe
Kabinett beschloss Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes / Rückzugsformel unverbindlich
Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr geht nun ins zehnte Jahr. Unter Rot-Grün 2001 stellte man für die ISAF zunächst 2100 Soldaten. Inzwischen sind 4600 Bundeswehrangehörige im Afghanistan-Krieg. Erlaubt wäre auch nach dem nun angestrebten neuen Ein-Jahres-Mandat der Einsatz von 5350 Soldaten.
Auf einen konkreten Termin für den Abzug der ersten deutschen Soldaten legt sich die Bundesregierung abermals nicht fest. Man strebe jedoch an, dass der Abzug gegen Ende dieses Jahres beginnt. Im Jahr 2014 sollen dann die letzten deutschen Kampftruppen Afghanistan verlassen. Wörtlich heißt es in dem Mandatsantrag: »Die Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können.« Dabei werde man »jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, soweit die Lage dies erlaubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden«.
Vor der Kabinettsitzung warnte besonders Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vor übereilten Rückzugsankündigungen. In seinem Umfeld geht man lediglich von einem symbolischen Rückzugsbeginn in diesem Jahr aus. ISAF-Chef David Petraeus hatte unmissverständlich klar gemacht, dass frei werdende Truppen zunächst in anderen Landesteilen eingesetzt werden müssten. Im deutschen Verteidigungsministerium hält man es auch für möglich, dass der Bundestag demnächst noch ein weiteres Mandat für den zu Jahresbeginn von Frankreich und Großbritannien begonnenen AWACS-Einsatz über Afghanistan verabschieden muss.
Die Zustimmung des Parlaments für eine Verlängerung des Einsatzes gilt als sicher, weil die Regierung der SPD-Spitze mit unverbindlichen Abzugsformeln entgegen gekommen ist. Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering hat dennoch an die Bundestagsfraktion seiner Partei appelliert, der Verlängerung des Afghanistan-Mandats nicht zuzustimmen. Statt weiter auf militärische Eskalation zu setzen, »sollte die Bundesregierung einen inner-afghanischen Versöhnungsprozess und direkte Verhandlungen mit dem Ziel einer politischen Lösung unterstützen«, betonte gestern der Verteidigungsexperte der Bundestags-Linksfraktion Paul Schäfer.
In Afghanistan kamen 2010 mehr ausländische Soldaten als in den vergangenen Jahren seit dem Beginn des ISAF-Einsatzes 2001 ums Leben. Bisher wurden 45 deutsche Soldaten in dem Einsatz getötet, allein 18 von ihnen am gefährlichsten Standort bei Kundus.
Wie groß die Probleme der Truppe sind, lässt sich beispielsweise aus einem Erfahrungsbericht des Kommandeurs des 1. Jägerregiments, Oberst Michael Matz, ablesen. Die Einheit stellte zwischen April 2009 und April 2010 im Norden Afghanistans die sogenannte Quick Reaction Force. In der aktuellen Ausgabe des Fachblattes »Strategie und Technik« analysiert er »weit über 50 Feuerkämpfe«, in die seine Elitesoldaten verwickelt waren. Matz beschreibt dabei die zunehmende Kampfkraft der Aufständischen, die die Bewegungsfreiheit der ISAF immer mehr einengen. Andere Analysen beschreiben wachsende Spannungen innerhalb des Bundeswehrkontingentes, vor denen unlängst auch der Wehrbeauftragte des Bundestages warnte.
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