Neue Spielregeln für Fusionen

Die geplante Hochtief-Übernahme sorgt für Debatten übers Aktienrecht

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein marodes spanische Bauunternehmen übernimmt einen potenten Weltkonzern: Möglich wird die feindliche Übernahme erst durch das deutsche Aktienrecht. Es ginge auch anders.

Der spanische Konzern könnte das wichtigste Ziel für die Übernahme der Essener Hochtief AG erreicht haben: Durch ein Übernahmeangebot hat er zum Jahreswechsel die Hürde von 30 Prozent übersprungen und damit zumindest aktienrechtlich die Kontrolle übernommen. Demnächst soll das Verfahren auch formal abgeschlossen sein.

ACS-Boss Florentino Pérez reagiert auf das Ende des Immobilienbooms in seinem Heimatmarkt mit dem raschen Ausbau des internationalen Geschäfts. Und ACS diversifizierte, beteiligte sich an Bezahlautobahnen, kaufte sich in die Telekommunikation und Energieversorgung ein. Mit Hochtief will ACS tief in die Märkte USA, Australien und Deutschland vordringen. Kritiker hierzulande halten solche strategischen Argumente für Alibis. Für sie will der hoch verschuldete Investor schnell Kasse machen, indem er einen international erfolgreichen Konzern kauft, ausschlachtet und diesen dafür auch selber bezahlen lässt.

Möglich wird der Deal erst durch Aktienrechts-Arbitrage: Der transfererprobte ACS-Chef, gleichzeitig Präsident des Fußballclubs Real Madrid, hat sich das Land mit einem der schwächsten Schutzwälle gegen Übernahmen ausgesucht. Das deutsche Recht macht Hochtief zu einem Luxusziel zum Ramschpreis. Anders als in Frankreich, Großbritannien oder Spanien gibt es seit der Aktienrechtsreform 1998 der schwarz-gelben Regierung Kohl kein Höchststimmrecht und keine goldene Aktie mehr. Sie hätten Pérez die Pläne wohl verleidet. Und anders als in der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern muss ACS nach dem Überspringen der fast nur in Deutschland entscheidenden 30-Prozent-Hürde für den Kauf weiterer Aktien den anderen Altaktionären kein (hohes) Pflichtangebot mehr machen.

Eine Reform des Übernahmerechtes wird seit November in Bundestag und Bundesrat besprochen. LINKE und SPD haben jeweils eigene Reformvorschläge für das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetze (WpÜG) vorgelegt. Die SPD will laut ihrem Gesetzentwurf den Investor zwingen, auch oberhalb der 30-Prozent-Marke den Altaktionären – darunter Rentenversicherungen und Publikumsfonds – ein »faires und attraktives Angebot« zu machen.

Die Linksfraktion um Ulla Lötzer will vor allem die Beschäftigten schützen. Gewerkschaften sollen einen gesetzlichen Anspruch auf einen »Fusionstarifvertrag« erhalten und dem Betriebsrat soll ein Vetorecht eingeräumt werden. Dies soll nach französischem Vorbild auch der »öffentlichen Hand« eingeräumt werden.

Eine solch weitgehende Einschränkung von »feindlichen«, aber auch »freundlichen« Übernahmen verstieße allerdings gegen eine der EU-Grundregeln: die Freiheit des Kapitals. Alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten sind verboten. Da sich allerdings daran kaum ein Land so strikt wie Deutschland hält, sieht man auch in Brüssel Handlungsbedarf. In der Europäischen Kommission denkt man über ein »Playing Level Field« nach, das allen Akteuren rechtlich das gleiche Spielfeld bereitstellt. Fairer Wettbewerb alleine wäre jedoch noch kein Garant für ein gutes Spiel für alle.


Lexikon

Besitzer einer Goldene Aktie haben in einem Unternehmen besondere Entscheidungs- und Mitspracherechte wie kein anderer Anteilseigner. Regierungen einiger EU-Länder in Süd- und Osteuropa haben sich bei der Privatisierung von Staatskonzernen aus strategisch wichtigen Branchen solche Befugnisse rechtlich gesichert. Sie sind laut EU-Recht wegen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nicht zulässig, trotzdem halten einige Staaten noch immer daran fest. ND

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