Die Dörfer sterben nicht

Entstehung von Großgemeinden führt zu Wandel im ländlichen Raum

  • Rosi Blaschke
  • Lesedauer: 3 Min.
Ob und wie Ortsteile einer größeren Gemeinde ihre Eigenständigkeit erhalten können, darüber debattierte kürzlich der Gesprächskreis Ländlicher Raum der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS).

Gemeindegebietsreformen tragen bundesweit dazu bei, dass kleine Dörfer ihre Eigenständigkeit und ihre lokale Identität zu verlieren drohen. Im Land Brandenburg z. B. hat sich so die Zahl der Gemeinden von 1600 auf 400 reduziert. Ortsbürgermeister fühlen sich zu Ortsvorstehern degradiert, Ortsbeiräte der zu Ortsteilen mutierten Dörfer haben keine Entscheidungsbefugnisse mehr, wie eine Umfrage der RLS ergab. Zwar hat sich ein Großteil der Befragten mit dem Zusammenschluss abgefunden und sieht darin auch mehr Möglichkeiten für Investitionen. Doch 500 Gemeinden allein in Brandenburg klagten dagegen – ihre Klagen wurden hingegen abgewiesen.

Wie kann die Selbstbestimmung eines Ortsteils erhalten oder wiedergewonnen werden? Für die Selbstorganisation der Dörfer spielen, so der Leiter des Gesprächskreises Ländlicher Raum der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Kurt Krambach, Ortsbeiräte, Gemeindevertreter und zivilgesellschaftliche Akteure wie Vereine eine wichtige Rolle. Mitentscheidung über Bebauungspläne, Wohnungsvergabe, Teile der Haushaltsmittel, Aufträge an lokale Unternehmen, Förderanträge für Dorfprojekte – zu alldem sollten die Ortsteilbewohner und ihre Vertreter gehört werden. Jedoch wird diese Form der direkten Demokratie nicht überall genutzt.

Der demografischen Wandel ist nicht wegzudiskutieren. In fast jedem Dorf, so die Umfrage, besteht Seniorenarbeit, jedoch erschwert durch ungenügende ärztliche Betreuung. Jugendarbeiter in Gemeinden kümmern sich mit darum, Jugendlichen ein lebenswertes Umfeld zu schaffen. Zunehmend ist der Einsatz für dezentrale Lösungen zu erkennen – kleine Kitas, Dorfläden.

Barbara Klembt, Bürgermeisterin der Gemeinde Wiesenburg/Mark, betont mit Vehemenz: »Die Dörfer sterben nicht, sie wachsen nur nicht, und sie wandeln sich.« Die Gemeinde Wiesenburg umfasst inzwischen 14 Ortsteile mit 4800 Einwohnern auf 218 Quadratkilometern. Als eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass die Ortsbeiräte und die Gemeindevertreter der einzelnen Dörfer mitbestimmen können, sieht Klembt die Schulung über Kommunalverfassung, Planungsrechte, Haushaltsaufbau usw. »Rechte und Pflichten können nur wahrgenommen werden, wenn man sie genau kennt.«

Die Bewohner anregen, selbst etwas zu tun, ist Politik rund um Wiesenburg. Klembt zählt Geschaffenes auf: 16 Gemeinschaftsräume in 14 Ortsteilen, drei große Feuerwehren und sieben Jugendfeuerwehren, sechs Kitas – auch die kleinste für acht Kinder wird erhalten –, Dorfspielplätze, denn die Enkel kommen aufs Dorf zurück. Und weil's ums Geld geht, sind Kita mit Zahnarztpraxis oder Physiotherapie, Dorfgemeinschaftshaus mit Wohnungen gekoppelt.

Um Dorfkerne zu erhalten, wird um die Förderung des Ausbaus alter Häuser durch junge Familien gekämpft, statt des Neubaus auf der grünen Wiese. Und in Sachen demografischer Wandel müssen die Ideen der Zugezogenen genutzt werden. Die Bürgermeisterin bringt es auf einen Punkt: Wir müssen entsprechend den Dorfrealitäten gemeinsam gute Lebensbedingungen für alle schaffen.

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