Schwarz-weiß hilft Taliban
Niebel malte bunte Bilder von militärisch-ziviler Afghanistan-Hilfe
Ohne dass es ausgesprochen wurde, stand das Unwort des Jahres wieder im Plenarsaal, als die Regierung ihre Afghanistan-Politik verteidigte. Niebel ging sogar noch einen Schritt weiter, als er Kritiker »Schwarz-Weiß-Malerei« vorwarf, mit der man den Extremisten in die Hände arbeite.
Seit 2001, so Niebel, seien beachtliche Erfolge erzielt worden. Der Anteil der Mädchen in Schulen sei von null auf rund 40 Prozent gestiegen, jede vierte Frau erhalte medizinische Hilfe bei der Geburt. Kinderheiraten seien um 60 Prozent gesunken, der Getreideertrag habe sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt ...
Die Bundesregierung will die Anzahl der Entwicklungshelfer in Afghanistan auf 2500 erhöhen, das wären nach offizieller Rechnung 800 mehr als derzeit. Kein Verständnis hatte der Minister für die Kritik von Opposition und einer Reihe von Hilfsorganisationen am Konzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Vielleicht hätte Niebel seinem Redenschreiber doch Einsicht in den letzten – abermals internen – Bericht der Bundesregierung über die Auslandseinsätze der Bundeswehr geben sollen. Da liest man kaum etwas von Erfolgen und nur beschämend wenig über Entwicklungshilfe. Immerhin gestand Niebel ein: Die Fortschritte seien nicht unumkehrbar, noch immer begegne man Korruption, von Rechtssicherheit keine Spur.
SPD, Linksfraktion und Grüne warnten nachdrücklich vor einer weiteren Gefährdung ziviler Helfer durch eine engere Zusammenarbeit mit dem Militär. Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, nannte das Konzept gar einen »katastrophalen Weg«. Vertreter der Union und der FDP stellten sich dagegen hinter das Konzept des »vernetzten Ansatzes« von Zivilem und Militärischem. Sie lobten auch, dass die zivile Entwicklungshilfe in den vergangenen Jahren stetig aufgestockt wurde und heute bei 430 Millionen Euro pro Jahr liege. Nicht erwähnt wurde dabei, dass viele Projekte direkt dem Ausbau der militärischen Infrastruktur oder dem Polizeiaufbau zugute kommen.
Allein für den weiteren Einsatz unter ISAF-Kommando sind in den kommenden elf Monaten knapp 1,1 Milliarden Euro geplant. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) warben gestern im Parlament um Zustimmung zur Verlängerung des Afghanistan-Mandats. Die Regierung sei »zuversichtlich«, dass Ende 2011 der Rückzug der Bundeswehr beginnen könne. 2014 sollen auch die letzten Kampftruppen aus dem Land sein. Doch die Hilfe für Afghanistan müsse weitergehen, damit das Land nicht wieder zum Rückzugsort des Terrorismus werde.
Über das Mandat, das den Einsatz von rund 5000 Soldaten bis Februar 2012 verlängert, wird am nächsten Freitag abgestimmt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkte Guttenberg, der zur Zeit verschiedene Bundeswehr-Skandale politisch zu verantworten hat, den Rücken. Sie vertraue auf die Arbeit des Ministers und unterstütze ihn, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Untersuchung zu den geöffneten Feldpostbriefen hat bislang ergeben, dass die Post in Afghanistan von einem privaten Vertragspartner transportiert worden ist. Damit solle aber »nichts angedeutet« werden, betonte zu Guttenbergs Sprecher.
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