EU-Asylpolitik wackelt nach Grundsatzurteil
Abschiebepraxis bedarf neuer Regeln
Straßburg (Agenturen/ND). Die Richter in Straßburg warfen Griechenland und Belgien einen Verstoß gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung vor.
Ein afghanischer Flüchtling hatte über menschenunwürdige Zustände in griechischen Aufnahmelagern geklagt. Er war über Griechenland nach Belgien gereist, wo er 2009 einen Asylantrag stellte. Der Mann war noch im selben Jahr nach Griechenland abgeschoben worden, wo die Behörden mit dem Ansturm von Asylbewerbern überfordert sind. Belgien hat nach dem Urteil gegen das Verbot menschenunwürdiger Behandlung verstoßen, weil der Mann abgeschoben wurde, obwohl in Belgien die katastrophalen Zustände griechischer Auffanglager bekannt waren. Beide Länder müssen dem Afghanen ein Schmerzensgeld von insgesamt 25 900 Euro zahlen, wobei auf Belgien mit 24 900 Euro der Löwenanteil entfällt. Griechenland muss nach diesem Richterspruch »den Asylantrag ohne Verzögerung und im Einklang mit der Menschenrechtskonvention prüfen« und darf den Mann »bis Abschluss dieser Prüfung nicht abschieben«.
Grundlage der Abschiebung ist die Dublin-II-Verordnung, nach der Flüchtlinge in das EU-Land zurückgeschickt werden, in das sie zuerst eingereist sind. Diese EU-Verordnung könnte durch das Urteil infrage gestellt werden. Menschenrechtsvereinigungen fordern Verbesserungen der Regelungen, etwa durch einen neuen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge innerhalb der EU. Deutschland, Island, Schweden, Großbritannien und Norwegen haben aus humanitären Gründen die Rückführung nach Griechenland vorübergehend gestoppt. Das ist nach Auffassung der deutschen Grünen nicht ausreichend, »da nicht mit einer schnellen Verbesserung der Lage dort zu rechnen ist. Zudem werden die Rechte von Schutzsuchenden auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten, wie etwa Italien, Polen und Ungarn, missachtet«, so der Vizefraktionschef und flüchtlingspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Josef Winkler.
Die Grünen im EU-Parlament forderten eine Überarbeitung der Dublin-Regelung. »Wir brauchen eine neue rechtlich festgelegte europaweit gültige Regelung, die sowohl die Solidarität der Mitgliedsstaaten untereinander als auch die Grundrechte und Interessen der Flüchtlinge berücksichtigt«, betonte die Europaabgeordnete Franziska Keller. Kommentar Seite 8
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