Aus dem Rückraum

Mark Wolter berichtet für ND von der Handball-Weltmeisterschaft in Schweden

  • Lesedauer: 2 Min.

Als ich in der Kinnarps Arena an der Hallendecke die Flagge des Eishockeylandesmeisters HV 71 Jönköping entdecke, fiel mir ein, dass ich beinahe einen Kalender mit halbnackten Eishockeyspielern als Souvenir aus Kristianstad mitgenommen hätte. Nicht etwa, weil die semikünstlerischen Fotos das Sportreporterauge so verzückt hätten, sondern weil Patrik Magnusson im Supermarkt am Östra Boulevarden mein Mitgefühl geweckt hatte. Dort saß der rothaarige Riese in zeltgroßem Eishockeytrikot auf einem viel zu kleinen Stuhl neben den Kassen und versuchte mit breitem Grinsen, die Kunden aus der Schlange an seinen Tisch zu lotsen – ohne Erfolg.

Nach fünfzehn Minuten Anstehen am Postkartenschalter erlöste ich den einsam Wartenden und ging rüber. Er verkaufe Eishockeytickets, sagte er. »Für meinen Verein, die Wild Kings vom Kristianstads IK.« – Für seinen? – »Ja«, sagt Magnusson, er sei Abwehrspieler des Zweitligisten. – Wie bitte? Er sitzt hier als Spieler und macht Werbung? –– »Zu wenig Zuschauer«, nickte der 22-Jährige. Ob ich nicht morgen gegen Nybro Vikings IF zuschauen wolle?

»Da bin ich leider schon in Jönköping«, entschuldigte ich mich. – Ob denn wenigstens ein Kalender seines Teams gefällig? Leider fiel mir spontan niemand ein, der sich dafür erwärmen könnte, und lehnte dankend ab.

Über die maue Sportbegeisterung in Südschweden grübelnd, zog ich von dannen: Bei den WM-Spielen war die Stimmung bisher auch nicht so toll. Die Fußballerinnen des Kristianstads DFF wussten sich vor anderthalb Jahren auch nicht anders zu helfen, als sich mit einem Oben-ohne-Teamfoto in der Heimatzeitung in die Schlagzeilen zu bringen. Es gelang, europaweit. Ziel der Aktion war, zu Spenden aufzurufen und für das Heimspiel gegen Stockholm mehr Zuschauer anzulocken, Ergebnis war, dass statt der sonst 850 Zuschauer nur etwa 700 ins Stadion kamen.

Da müssen sich die Handballer nicht grämen, dass sie nur Pappfiguren von schwedischen Nationalspielern in vollem Sportdress an Straßenkreuzungen und in Fußgängerzonen aufgestellt haben. Selbst mit echtem Körpereinsatz kann man die Südschweden scheinbar nicht locken.

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