Zentrale Frage bleibt ungeklärt
Untersuchungsausschuss Stuttgart 21 beendet
Der Untersuchungsausschuss um den brutalen Polizeieinsatz gegen Gegner des Bahnhofprojekts »Stuttgart 21« hat seine Arbeit beendet. Doch unklar bleibt, wer die Verantwortung für die vielen Verletzten trägt.
Als »Schwarzer Donnerstag« ist der 30. September 2010 in die Stuttgarter Geschichte eingegangen. Bilder von Wasserwerfern gegen Schüler und Senioren, die sich spontan im Schlossgarten der Stadt versammelt hatten, um gegen S21 zu protestieren, schockierten damals die Republik.
Der von SPD und Grünen im November durchgesetzte Untersuchungsausschuss sollte klären, ob bei dem Polizeieinsatz, bei dem Hunderte verletzt worden waren, politisch Einfluss genommen wurde. CDU und FDP, die die Mehrheit im Stuttgarter Rathaus stellen, kommen in ihrem Abschlussbericht zu dem Schluss, dass die Regierung keinen Einfluss nahm. Das sehen SPD und Grüne völlig anders. »Es gab politische Einflussnahme auf den Einsatz, und zwar vom Ministerpräsidenten selbst«, sagte Grünen-Obmann Hans-Ulrich Sckerl gestern in Stuttgart. »Er hat das Feuer erst geschürt und dann, als es loderte, nichts getan«, ergänzte sein SPD-Kollege Andreas Stoch. Zwar gebe es keine eindeutigen Belege, doch das, was vor dem Einsatz geschah, lasse nur diesen Schluss zu. Die Massenproteste gegen S21 hätten die Umfragewerte für die CDU in den Keller sacken lassen. Daraufhin habe sich Mappus' Ton verschärft.
Mit der Ankündigung, am 7. Oktober eine Regierungserklärung zu S21 abgeben zu wollen, hätte Mappus die Polizei schließlich unter Handlungsdruck gesetzt, so Stoch weiter. Und bei einer Besprechung mit der Polizei am 29.9. habe Mappus laut einer Protokollnotiz gesagt: »Dann machen wir das so.« Stoch: »Wenn der Einsatz gelungen wäre, hätte Mappus vor dem Parlament erklärt: Das Recht hat sich durchgesetzt.« So hieß es in der Regierungserklärung, die CDU suche den Dialog mit den S21-Gegnern.
Mappus' Rücktritt wollen die Oppositionsfraktionen so kurz vor der Landtagswahl am 27. März nun nicht fordern. »Das soll der Souverän entscheiden«, sagte Stoch.
Anders sieht es bei den Folgen für die Polizei aus. Der Ausschuss hat massive Fehler in der Einsatzleitung der Polizei aufgedeckt: Beamte aus anderen Bundesländern kamen zu spät, wussten nicht, warum sie in Stuttgart waren und wohin sie sollten. Ob der Einsatz verhältnismäßig war, könne man noch nicht entscheiden, so Stoch und Sckerl. Dazu wolle man erst die Ergebnisse der 321 Strafanzeigen gegen Polizisten abwarten. Aber Mappus müsse für personelle Konsequenzen in der Polizeiführung sorgen, forderten Sckerl und Stoch. Die Absetzung des Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf sei »die einzig richtige Reaktion«.
Die CDU lehnt das ab. Ausschuss-Obmann Ulrich Müller: »Das wäre ein verheerendes Signal auch in die Polizei.« Hagen Kluck, Obmann der FDP, meinte immerhin, man müsse nach Abschluss der genannten Strafverfahren, »gegebenenfalls über Konsequenzen reden«. Ansonsten waren die beiden sich einig: Mappus hat nie Einfluss genommen, der Einsatz war verhältnismäßig, die Polizei musste das Baurecht der Deutschen Bahn durchsetzen. Die Demonstranten hätten ja den Aufforderungen, den Platz zu räumen, nachkommen können. »Es ist bedauerlich, was geschehen ist«, meinte Müller. Aber man müsse überlegen, was die Alternative wäre: »Die Herrschaft der Straße und das Ende des Rechts.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.