Peinliche Fragen an Polens Premier

Fast 70 Prozent gegen Afghanistan-Einsatz

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Informationen über die »Front in

Afghanistan« werden in den Tagesnachrichten des polnischen Fernsehens und in anderen Medien immer seltener.

Nur wenn auf dem Warschauer Militärflughafen Särge mit gefallenen polnischen Soldaten aus Transportmaschinen herausgetragen werden, wie zuletzt am Dienstag, oder bei irgendwelchen großen Pannen wird die Öffentlichkeit noch daran erinnert, dass polnische Militärs fern der Heimat Krieg führen. Eine übergroße Mehrheit der Polen will diesen Krieg nicht. Wie die Stiftung für Europastudien in dieser Woche mitteilte, sind 69 Prozent der von ihr demoskopisch erfassten polnische Bürger gegen die Teilnahme an der »Mission in Afghanistan«. Nur 17 Prozent heißen sie gut. Die Verhältnisse haben sich im Verlauf eines Jahrzehnts umgekehrt: Vor zehn Jahren noch wurde der Einsatz am Hindukusch von rund 70 Prozent unterstützt.

Klaus Bachmann, ehemaliger Korrespondent deutscher Zeitungen in Polen, seit sechs Jahren als Politologe an der Universität Wroclaw und in der erwähnten Stiftung tätig, kommentierte die Befragungsergebnisse so: Ein Großteil der Polen wisse gar nicht mehr so recht, worum es in diesem Krieg geht. Der ebenfalls in der Stiftung aktive ehemalige Verteidigungsminister Janusz Onyszkiewicz führt das darauf zurück, dass die polnische Öffentlichkeit überhaupt wenig Interesse für die Ereignisse in der weiten Welt an den Tag lege. »Unser Häuschen liegt abseits«. erinnert Onyszkiewicz an einen alten polnischen Spruch.

Am Donnerstag erklärte General Stanislaw Koziej, militärischer Berater des Staatspräsidenten, sein Chef Bronislaw Komorowski habe in der jüngsten Beratung des Büros für Nationale Sicherheit (BBN) sein Wahlkampfversprechen zur Sprache gebracht, wonach 2011 mit dem Abzug des polnischen Kontingents begonnen werde, um im folgenden Jahr generell den Charakter der Mission zu ändern. Was Regierungschef Donald Tusk dazu im Jahr der Sejmwahlen zu sagen hat, ist noch ein Rätsel.

Dabei hat der polnische Ministerpräsident eine weitere, vielleicht noch viel peinlichere Frage zu beantworten, die ebenfalls mit Polens Teilnahme an US-amerikanischen kriegerischen Unternehmungen verbunden ist. Rechtsanwalt Mikolaj Pietrzak vertritt den Saudi-Araber Abd al Rashima al Nashiri, der in einem geheimen CIA-Gefängnis auf polnischem Territorium gefoltert wurde. Dem privaten Rundfunksender RMF FM sagte Pietrzak am Mittwoch, er habe dem Regierungschef einen Brief geschrieben. Darin habe er Tusk aufgefordert, sich an zuständige US-amerikanische Stellen zu wenden, um endlich eine Antwort auf eine bereits vor zwei Jahren von der polnischen Staatsanwaltschaft gestellte Frage zu erzwingen. Auf die Frage nämlich, ob die Einrichtung der CIA-Gefängnisse mit polnischen Diensten vereinbart wurde. Die Hoffnung auf einen Erfolg solchen »Zwangs« ist freilich gleich Null.

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