Zweitliga-Derby vor großer Kulisse
Hertha BSC empfängt Union Berlin
Wenn sich heute viele Berliner einen Schal umbinden, hat das weniger mit der Jahreszeit zu tun. Vorhergesagt sind relativ milde Temperaturen um zehn Grad. Vielmehr ist der Griff in den Kleiderschrank eine Glaubensfrage. Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister im rot-roten Senat, wird sich für blau-weiß entscheiden – er ist Mitglied bei Hertha BSC. »Berlin ist rot-weiß«, lautet das andere Farbbekenntnis und prangt vom neuesten Fanartikel des 1. FC Union Berlin. Dass der »Derbyschal« nach kurzer Zeit im Onlineshop des Vereins vergriffen war, ist nur ein Hinweis auf das anstehende »Spektakel«, wie es Union-Manager Christian Beeck formuliert.
Eine Zahl verdeutlicht die besondere Bedeutung des Ereignisses noch mehr: Wenn heute um 13 Uhr die Partie zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union angepfiffen wird, ist das Olympiastadion mit 74 244 Zuschauern ausverkauft. In Europa waren bislang nur zwei Zweitligaspiele besser besucht. Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Die Tickets waren schnell vergriffen. Denn so wie das Aufeinandertreffen in der Hinrunde im vergangenen September in Köpenick (1:1) das erste Pflichtspiel beider Vereine seit dem Mauerfall war, ist die heutige Partie im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf auf längere Sicht wahrscheinlich auch die vorerst letzte um Punkte. Zu groß sind die Unterschiede zwischen beiden Berliner Klubs.
Seit dem Abstieg in der vergangenen Saison gab es bei Hertha BSC nur ein Ziel, den sofortigen Wiederaufstieg. Der mit Abstand höchste Zweitligaetat von rund 35 Millionen Euro soll dies garantieren. Nach 13 Jahren Erstligafußball, Champions-League-Auftritten gegen den FC Barcelona, Chelsea London und den AC Mailand sowie mehrfacher Europapokal-Teilnahme zählt für die Alte Dame nur die ganz große Bühne. »Diese Woche ist wie jede andere auch«, sind die Tage vor dem Derby für Manager Michael Preetz dann auch nichts Besonderes. Trainer Markus Babbel sind nur die drei Punkte wichtig, »eine spezielle Anspannung in der Mannschaft« spürt er ebenso wenig.
Anders sieht es beim Lokalrivalen aus. »Dieses Spiel ist der vorläufige Höhepunkt unserer Entwicklung von der Oberliga bis hierher«, sagt Union-Trainer Uwe Neuhaus mit Stolz in der Stimme. Es sei alles viel intensiver und spannender als sonst, genießt Manager Beeck die »tolle Atmosphäre« und kommt in der Derby-Woche immer ein bisschen früher ins Büro. Auch in der Mannschaft ist der Ausnahmezustand zu spüren: »Von solchen Spielen träumt man als Fußballer«, freut sich Kapitän Torsten Mattuschka.
Sportlich manifestiert sich der Unterschied zwischen beiden Vereinen in der Tabelle: Spitzenreiter Hertha BSC liegt mit 20 Punkten vor dem 13. Union und hat in den letzten fünf Spielen 13 Punkte geholt und 13 Tore geschossen. »Jetzt wird es Zeit, mal wieder zu null zu spielen«, geht Hertha-Torwart Maikel Aerts entsprechend selbstbewusst in die Partie.
Mit »Mut, Herz und Leidenschaft« sollen seine Spieler nach zuletzt zwei Niederlagen dagegenhalten, fordert Union-Trainer Neuhaus. Allerdings wisse er nicht, wie seine Spieler auf die riesige Kulisse reagieren werden: »Für viele ist es das einzige Spiel in solch einem Rahmen.« Für viele Fans ist das Derby in diesem Rahmen ebenfalls einmalig. Und wer eine Karte, aber noch keinen Schal hat: Fanartikel gibt es rund um das Stadion genug, auch den »Derbyschal« vom 1. FC Union, wie der Verein auf seine Internetseite mitteilt.
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