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Gegner der Lügen
Tausende demonstrierten in München für Frieden und Abrüstung
In ungewöhnlich scharfen Worten hat der katholische Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann in München die Militarisierung der deutschen Außenpolitik kritisiert. »Von Grund auf verlogen« nannte er sie vor mehreren tausend Menschen beim Abschluss einer Protestdemonstration gegen die Sicherheitskonferenz. Der Bundesregierung warf er vor, junge Menschen zu »bezahlten Auftragsmördern« zu machen.
Rund 90 Organisationen hatten zu der Demonstration aufgerufen, darunter Gewerkschaften, Friedensgruppen und die Linkspartei. Ihre zentrale Forderung war der sofortige Abzug der Bundeswehr und aller NATO-Truppen aus Afghanistan. Der bunte Protestzug war am Sonnabend durch die Münchner Innenstadt gezogen. Besondere Aufmerksamkeit erregten zwölf schwarz gekleidete Frauen, die weiße Masken vor dem Gesicht trugen. Sie hatten Schilder in den Händen mit Namen von Ländern und Orten, die Ziele von NATO-Angriffen wurden.
In seiner immer wieder von Beifall unterbrochenen Rede auf dem Platz vor dem Münchner Rathaus griff Drewermann Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg scharf an. Dieser solle nicht so tun, als wenn er die Humanität verteidige. Guttenberg sei »nach vieler Lügerei« in einem Punkt aber ehrlich geworden, als er feststellte, Sicherheit sei nicht der Schutz der deutschen Bürger im In- und Ausland, sondern der Schutz unserer Finanz- und Wirtschaftsinteressen. »Dafür zu morden, dafür zu sterben, ist unwürdig eines jeden Menschen«, sagte der Linkskatholik.
An dem »Desaster« in Afghanistan sind nach Ansicht Drewermanns nicht nur CDU und FDP, sondern auch Rot-Grün schuld. »Sie alle haben gelogen und Weltverantwortung als Kriegseinsatz interpretiert.« Krieg lasse sich nicht schönreden, »er ist blutverschmiert«. Die vernetzte Strategie von Bundeskanzlerin Angela Merkel, in Afghanistan Frieden und Krieg gleichermaßen zu haben, sei nicht möglich, meinte Drewermann. »Das ist wie Senf vermischt mit Pudding: Beides zusammen ist zum Kotzen.« Die Bundeswehr praktiziere in Afghanistan inzwischen, was die Amerikaner seit Langem machten: gezieltes Töten.
Drewermann forderte schließlich den Austritt Deutschlands aus der NATO, die zu einer »aggressiven Interventionsarmee« geworden sei. Stattdessen solle man sich um Ungerechtigkeit und Hunger als die Gründe von Kriegen kümmern.
An der Demonstration beteiligten sich Gruppen aus Afghanistan, Äthiopien, Somalia und Ägypten. Die Organisatoren wollen ihren Protest auch als Solidarität verstanden wissen mit den »Millionen Menschen, die in diesen Tagen für Demokratie und Menschenwürde kämpfen, die gegen die despotischen Regimes in ihren Ländern aufstehen«, erklärte der Sprecher des Aktionsbündnisses, Walter Listl. Er warf der Bundesregierung und den anderen NATO-Staaten in diesem Zusammenhang Scheinheiligkeit vor. Sie hätten die »Verbrecherregimes« unterstützt und würden sich jetzt nur mit »Lippenbekenntnissen« auf die Seite der Demonstranten stellen.
Die linke Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen unterstrich diese Kritik mit den Worten von Außenminister Westerwelle. Dieser habe noch im vergangenen Jahr die »große Weisheit« des ägyptischen Staatschefs Mubarak gelobt, jetzt wolle er den langjährigen Geheimdienstchef Suleiman installieren. Heftige Kritik übte die Abgeordnete an den Medien. In ARD und ZDF habe es lange keine kritischen Berichte über Ägypten gegeben. Es sei eine Schande, dass sich Journalisten zum Werkzeug von Politikern machen ließen. Der ARD-Chefredakteur hatte sich dafür entschuldigt. Dagdelen glaubt der Einsicht nicht. Auch über die Münchner Sicherheitskonferenz gebe es »Hofberichterstattung«, kritisierte sie.
An den Protesten am Sonnabend beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter 5500 Menschen. Die Polizei zählte 3200. 3400 Polizisten waren im Einsatz. Das Gelände um den »Bayerischen Hof«, den Ort der Sicherheitskonferenz, war weiträumig abgesperrt. Am Sonntag ging zudem eine dreitägige Gegenkonferenz zu Ende. Dort wurden in der bayerischen Hauptstadt zivile Alternativen zu Kriegseinsätzen diskutiert.
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