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Sanktionen trotz Schwangerschaft?
Martin Behrsing über Schikanen gegen Hartz-IV-Bezieherinnen / Martin Behrsing ist Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland
ND: In einem Schreiben an die Bundesagentur für Arbeit (BA) fordert das Erwerbslosen Forum einen Stopp der Hartz-IV-Sanktionen gegen Schwangere. Verhängen Jobcenter wirklich Sanktionen gegen werdende Mütter?
Behrsing: Ja. Wir hatten auch geglaubt, dass es sich dabei um Ausnahmen handelt. Aber nun werden uns immer mehr Fälle bekannt, in denen Schwangere sanktioniert wurden, weil sie entweder einen Ein-Euro-Job nicht wahrnehmen konnten oder weil sie aufgrund ihrer Schwangerschaft bestimmte Verpflichtungen nicht erfüllen konnten. Wir haben deshalb ein Schreiben an BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt und an Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen verfasst. Darin fordern wir, dass die Schikanen sofort aufhören müssen. Die Sanktionen sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, weil dort das ungeborene Leben ausdrücklich geschützt wird.
Gab es bislang schon offizielle Reaktionen auf Ihr Schreiben?
Leider nein. Im Falle Heinrich Alts ist das besonders bedauerlich, weil er dieses Schreiben persönlich bekommen hat. Aber auch von der Bundesarbeitsministerin gab es keinerlei Reaktion. Dabei kennt man die Problematik dort. Es gab zu dem Thema sogar schon Anfragen im Bundestag. So gewinnt man den Eindruck, dass die Regierung Sanktionen gegen Schwangere völlig in Ordnung findet.
Wie weit gehen denn die Jobcenter bei ihren Sanktionen? Im Ernstfall kann der Regelsatz ja komplett gestrichen werden.
Genau das tun die Jobcenter. Wenn Leute unter 25 sind, werden ihnen schon beim ersten Regelverstoß 100 Prozent der Leistungen gekürzt und beim zweiten auch die Kosten der Unterkunft.
Aber gilt das auch für schwangere Hartz-IV-Bezieherinnen?
Ja. Wir müssen immer wieder feststellen, dass es so etwas gibt. In der letzten Woche haben sich wieder zwei Frauen bei uns gemeldet. In einem Fall ist die Mutter schon seit Dezember nicht mehr krankenversichert. Wobei hier nicht das Jobcenter verantwortlich ist, sondern eine Optionskommune. Diese Optionskommunen, in denen Langzeitarbeitslose von Kommunen in Eigenregie betreut werden, machen oft ihr ganz spezielles Recht und sind noch härter im Umgang mit Hartz-IV-Beziehern.
Von wie vielen Fällen sprechen wir hier eigentlich?
Also man kann das schwer quantifizieren. Aber es gibt eine Erhebung der Mutter-Kind-Stiftungen, die im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen bei allen Schwangerschaftsberatungsstellen des Caritas-Verbandes durchgeführt worden ist. Dort sind etwa 14 000 werdende Mütter nach ihrem Verhältnis zu den Jobcentern befragt worden. Immerhin 5600 gaben an, dass man sie nicht vernünftig behandeln würde, sie sich zum Teil schikaniert fühlten oder dass man sie nicht über ihre Reche aufgeklärt habe. Wir müssen immer wieder feststellen, dass Mitarbeiter in den Jobcentern entweder Null-Interesse an solchen Problemen haben oder ahnungslos sind.
Nun gibt es Sanktionen gegen Schwangere. Wie sieht es denn bei jungen Müttern aus?
Auch hier haben wir Sanktionen schon erlebt. Wobei Mütter dem Arbeitsmarkt bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes eigentlich nicht zur Verfügung stehen müssten. Dennoch gibt es immer wieder Versuche, diese Mütter aufzufordern, sie mögen sich jetzt unbedingt um eine Betreuungsmöglichkeit kümmern, damit sie arbeiten können. Man muss einfach sagen, dass in den Jobcentern teilweise ein äußerst kinderfeindliches Klima herrscht.
Fragen: Fabian Lambeck
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