Hoffnungsträger unter Druck
Superstar Diego und Manager Dieter Hoeneß stehen für Wolfsburgs Krise
Diego kam als Schlüsselspieler und Hoffnungsträger, jetzt steht die Fußball-Diva im Abseits: Mit dem Elferklau in Hannover hat der Mittelfeldstar für den Tiefpunkt in seiner verkorksten Beziehung mit dem VfL Wolfsburg gesorgt. Nach nicht einmal sechs Monaten hat der Brasilianer seinen Kredit bei den Niedersachsen aufgebraucht.
Inzwischen ist es kaum noch vorstellbar, dass der 16-Millionen-Mann bei den »Wölfen« jemals die Rolle einer Führungsfigur einnehmen kann. Der schwierige Charakter ist in allen Bereichen hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Aber auch von Manager Dieter Hoeneß hatten sich die Wolfsburger mehr versprochen.
Bei der Vorstellung des neuen Cheftrainers Pierre Littbarski am Dienstag stand jedoch Diego im Fokus. »Diese Entscheidung habe ich zu akzeptieren«, sagte der Spielmacher kleinlaut, nachdem er wegen seines Ego-Auftritts, der zur 0:1-Niederlage gegen Hannover beitrug, für das kommende Bundesligaspiel von Littbarski suspendiert worden war. Immerhin verzichtete Diego darauf, im derzeitigen Chaos beim VfL für weiteren Zündstoff zu sorgen und hielt sich mit Kritik an der Maßnahme zurück: »Natürlich bin ich sehr enttäuscht darüber, dass ich gegen den Hamburger SV nicht dabei sein kann.«
Nicht zum ersten Mal sorgte Diego in Wolfsburg mit seinem eigenwilligen Gehabe für Missstimmung am Elfmeterpunkt; schon Anfang Dezember war es im Heimspiel gegen seinen Ex-Klub Werder Bremen zu einer Auseinandersetzung mit Edin Dzeko gekommen. Damals hatte Diego noch klein beigegeben, der Kapitän schoss nach der unnötigen Diskussion über das Tor.
Dieses Mal setzte sich Diego gegen Neuzugang Patrick Helmes durch und leitete mit seinem Schuss an die Latte turbulente Tage in Wolfsburg ein. 48 Stunden nach der Niederlage war der englische Trainer Steve McClaren entlassen worden, Littbarski übernahm das Ruder und strich Diego aus dem Kader für das HSV-Spiel.
Am Samstag droht dem VfL der Sturz auf den Relegationsplatz, Dieter Hoeneß steht also vor noch stürmischeren Zeiten. Nach 13 Jahren bei Hertha BSC in Berlin steht der Manager in Wolfsburg schon nach 13 Monaten vor einem Scherbenhaufen.
»Im Nachhinein muss man sagen, dass es eine Fehleinschätzung war, McClaren zu verpflichten«, sagte Hoeneß und nahm zumindest eine Teilschuld an der Misere des Klubs auf sich, der erst vor 20 Monaten mit dem Gewinn des Meistertitels den größten Erfolg seiner Geschichte gefeiert hatte.
Hoeneß hat mit dem Verkauf von Dzeko für 35 Millionen Euro einen wirtschaftlichen Erfolg gelandet, ansonsten ist seine Bilanz mager – die sportliche Situation muss man als katastrophal bezeichnen.
Viel zu spät entschloss sich Hoeneß zur Trennung von McClaren. Auch nach der schwachen Hinrunde, die mit dem DFB-Pokal-Aus in Cottbus zu Ende ging, hielt er am Engländer fest und verpflichtete im Winter in Abstimmung mit dem Trainer sechs neue Spieler. Erst nach vier Rückrunden-Spieltagen kam das Aus für den ehemaligen englischen Nationalcoach.
Ob McClarens Nachfolger Littbarski tatsächlich bis zum Saisonende Trainer bleiben darf oder schon vorher wieder zugunsten einer großen Lösung weichen muss, ist bislang unklar. Im Vereinsumfeld kursieren schon jetzt die Namen Ralf Rangnick, Martin Jol, Huub Stevens und Lucien Favre. Sollte Hoeneß aber auf Littbarski setzen und nach seinen umstrittenen Personalentscheidungen auch mit der Beförderung des Co-Trainers danebenliegen, dürfte die Zeit des Managers in Wolfsburg schneller als erwartet ablaufen.
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