Grau und Dämmerlicht

Die Berlinale widmet dem großen Schweden Ingmar Bergman eine Retrospektive

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.
Bis zum letzten Berlinale-Tag werden im Cinemaxx 8 am Potsdamer Platz Bergman-Filme gezeigt, neben den Spielfilmen auch Dokumentararbeiten über den Regisseur. Die Bergman-Ausstellung in der Deutschen Kinemathek läuft bis 29. Mai.
Bis zum letzten Berlinale-Tag werden im Cinemaxx 8 am Potsdamer Platz Bergman-Filme gezeigt, neben den Spielfilmen auch Dokumentararbeiten über den Regisseur. Die Bergman-Ausstellung in der Deutschen Kinemathek läuft bis 29. Mai.

Bohrend dringt Ingmar Bergman seinen Gestalten unter die Fassade – von gesellschaftlicher Eleganz, arriviertem Zynismus oder schwächlicher Resignation. Und ans Licht der Oberfläche stoßen in seelischen Eruptionen – nur von wenigen Regisseuren derart kompromisslos ausgeleuchtet – der Verlust an Wirklichkeitsgefühl, das Ausgeliefertsein an die Einsamkeit, die Unfähigkeit zur Liebe. Damit unmittelbar verbunden: das Unvermögen, vor der Todesangst zu bestehen. Und der Tod ist allgegenwärtig, in »Von Angesicht zu Angesicht« tritt er zum Beispiel in Gestalt einer stummen, alten Frau mit blinden Augen in Erscheinung.

Er ist ein Seelenfolterspezialist, der die Qualen der Kälte und Entfremdung seziert. In seinen Erinnerungen schreibt Bergman von seiner »Ausbildung zum Lügner«, es ist dies die frühe Notwendigkeit gewesen, stets einen »Lügenmantel« zu tragen – um den unmenschlichen Anforderungen einer verlogenen bürgerlichen Moral und christlichen Ethik zu genügen, wie sie das Elternhaus bestimmte. Das Blutdunkel der Pubertät, das Elend der Schule als frühe Auslöser eines Fiebers, das zum Kino drängte.

In diesen Erinnerungen (»Mein Leben«) kann man auch die Wörter lesen, die das Credo bilden: peinliche Sorgfalt, Berücksichtigung und Festlegung des kleinsten Details, Selbstdisziplin, Sauberkeit, Licht und Stille. Die Reizwörter dagegengesetzt: Improvisation ohne absolut feste Grundlage, Tumult, Aggressionen, Gefühlsausbrüche. Er bezeichnete sich als Radar, »der Dinge auffängt und sie zurückstrahlt«, angereichert durch Träume und Erinnerungen.

Unerschrocken stellt er die Frage nach der Existenz Gottes. Und findet ungute Antwort. Allerdings wird in späten Filmen der metaphysische Gottesbegriff durch jene selbstlose Liebe ersetzt, die es hier auf Erden zu üben gilt. Immer wieder sind es warme, unverbildete, arme Wesen, die die verschreckten, unterkühlten, erkrankten »Helden« seiner Filme zu trösten vermögen. Wenn in »Schreie und Flüstern« die Magd die Krebstodnahe wie eine Mutter Dolorosa in den Armen wiegt, so ist in dieser einfachen Geste der geleugnete Gott unter anderem, menschlichem Namen zurückgekehrt.

Mehr und mehr rang sich der Regisseur zu einem Realismus durch, den – grob gesagt – auch jenes US-Amerika verstand, das es im Kino direkter, bewegter und weniger philosophisch mag. Und so entledigte sich Bergman mählich der nordisch überlieferten Symbolismen, der Trolle und Zwerge, der Gespenster und Nachtmahre, der personifizierten Erscheinungen des Todes.

Ein Leben lang war Bergman, der 1918 geboren wurde und 2007 starb, ein unerbittlicher Kritiker eigener Werke; als politischer Visionär sah er sich nie – mit den Temposchüben der Massenmedien könne es die Langsamkeit der Kunst nicht aufnehmen, »der Gesellschaft kann der Künstler nur nützlich sein, indem er sich selbst bejaht und ›nur Künstler‹ ist.« Er war es auf konsequent romantische Weise, die alles für möglich hielt. Wie es sein geliebter Strindberg sagte: »Raum und Zeit existieren nicht«, auf dem Grund der Wirklichkeit webt die Einbildungskraft immer neue Muster, die eine Existenz ergeben, unbekannt noch dem, der sie lebt.

Es gibt unterschiedliche Gründe, sich einen Bergman-Film anzusehen. Anziehungskräfte wechseln, verblassen auch. Aber die Faszination Licht bleibt immer. Das fahle Morgenlicht bei der Eisenbahnfahrt zu Beginn vom »Schweigen«. Die Übergänge in »Schreie und Flüstern« – Grau und Dämmerlicht sind bevorzugt. Wenn in Bergmans Filmen die Albträume kommen, kommt das Licht des Südens, wie die Drohung eines Brenneisens. Das Licht des Südens höhlt die Menschen aus ...

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