Erster Tanz um den Castor schon vor Abfahrt

Aktivisten ketteten sich in Karlsruhe an Gleisen an / Landespolitik gegen Dauerlagerung

  • Velten Schäfer, Greifswald
  • Lesedauer: 3 Min.
In Karlsruhe sollte in der Nacht zum Mittwoch der umstrittene Atommülltransport nach Lubmin bei Greifswald starten. Im Nordosten trifft er auf nervöse Politiker – und entschlossene Demonstranten.

Der Transport mit hochradioaktiven Rückständen aus der bundeseigenen früheren Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe (WAK) ist unterwegs. In der Nacht zum Mittwoch sollte der Zug gegen 1 Uhr im Südwesten aufbrechen, um am Donnerstag gegen 4 Uhr planmäßig in Lubmin einzutreffen. Schon vor der Abfahrt hatten Aktivisten von Greenpeace deutlich gemacht, dass sie den Transport nicht widerstandslos hinzunehmen gedenken. Mehr als neun Stunden dauerte es am Dienstag, die letzten von 20 Protestierern vor der WAK von Gleisen und einem Tor zu entfernen, an die sie sich gekettet hatten. Einige saßen auf Bäumen, drei auf einer Hebebühne über den Schienen. Der Hebe-Mechanismus war manipuliert, funktionierte nicht mehr. Am Mittag schließlich hatte die Polizei die letzten Aktivisten »befreit«. Doch für die späteren Stunden des Tages war bereits eine »Nachttanzblockade« angekündigt. Am Nachmittag begannen Atomkraftgegner eine Mahnwache in der Magdeburger Innenstadt. Sie soll bis zur Ankunft des Zuges in Lubmin dauern.

Kurz vor dem Beginn des Transports wurde bekannt, dass die beiden Aktivisten von »Robin Wood«, die sich beim Transport im Dezember auf der Strecke angekettet und den Zug stundenlang aufgehalten hatten, von der Bundespolizeidirektion in Bad Bramstedt einen »Leistungsbescheid« über knapp 8500 Euro zugestellt bekommen haben. Die Organisation weist die Bescheide allerdings zurück und will rechtlich gehen sie vorgehen.

Dementiert wurden Befürchtungen, leicht- bis mittelschwer kontaminierter Atommüll aus dem maroden Asse-Salzstock könnte nach Lubmin gelangen. Dazu lägen ihm derzeit keine Anträge vor, erklärte Innenminister Lorenz Caffier (CDU) am Montag. Auch beim Betreiber des Zwischenlagers Nord (ZLN), den Energiewerken Nord (EWN), bestreitet man solche Ambitionen.

Der seit wenigen Wochen amtierende neue Chef des bundeseigenen Unternehmens, Henry Cordes, hatte allerdings erst Ende Januar bekanntgemacht, dass die EWN einen Antrag auf Einlagerung weiteren leichter belasteten Schrotts vom bundeseigenen »Atomschiff« Otto Hahn gestellt haben. Es gebe noch ausreichend Platz für weiteres leicht und mittelschwer verstrahltes Material, so Cordes. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sprach sich allerdings postwendend gegen solche Pläne aus.

Bereits im September hatten die EWN beim Schweriner Innenministerium eine Entfristung bei schwach- und mittelbelastetem Abfall beantragt – was das Ministerium aber erst kürzlich bekanntgab. Ende Januar trat Cordes mit der Forderung hervor, die sogenannte Pufferlagerung, die derzeit nur für zehn Jahre gestattet ist, für längere Zeiträume zu gestatten. Daraufhin sprach sich der Schweriner Landtag in einem gemeinsamen Antrag von SPD, CDU, FDP und LINKE gegen jegliche Pläne aus, die eine unbefristete Lagerung ermöglichten.

Das Zwischenlager ist bis 2039 genehmigt. Für die leichter und mittelschwer belasteten Abfälle soll ab 2015 mit Schacht Konrad ein Endlager bereitstehen. Für die hochradioaktiven Stoffe aus Halle 8 ist der weitere Verbleib aktuell noch nicht geklärt.

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