Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU
Arbeitnehmer aus Osteuropa klagen immer wieder darüber, dass ihr Antrag auf Hartz IV zurückgewiesen oder ihnen die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU begrenzt oder gänzlich entzogen wird. Ein Beispiel: Tanja S. aus Polen arbeitet schon seit zweieinhalb Jahren als Putzfrau in Deutschland. Jetzt ist sie schwanger und kann nicht mehr arbeiten, denn sie hat eine Schwangerschaftsdiabetes. Ihren Antrag auf Hartz IV hat die zuständige Behörde in Hamburg zurückgewiesen. Trotz verbindlicher EU-Richtlinien würden berechtigte Ansprüche oft nicht gewährt, kritisieren Wohlfahrtsverbände.
Für die junge Frau aus Polen konnte man immerhin erwirken, dass ihr wenigstens vorübergehend Hartz IV gezahlt wird. Dies wiederum kann Folgen für ihren Aufenthaltsstatus haben. »Wenn jemand staatliche Leistungen bezieht, wird meistens der Aufenthalt begrenzt«, sagt Maria Wojtas vom Migrationsdienst der Caritas in Brandenburg, die vor allem polnische Zuwanderer berät. Die schwangere Polin aus Hamburg hat Glück: Ihr Kind wird die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen – und damit darf sie bleiben.
Die Praxis zeigt immer wieder: Wer öffentliche Gelder bekommt, dem kann auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit entzogen werden. Das kann bis zur Aufforderung gehen, das Land zu verlassen. Denn Ansprüche von EU-Bürgern aus den osteuropäischen Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind, sind immer wieder unklar. Das betrifft die Menschen aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Lettland, Estland, Litauen, Ungarn und Slowenien.
Besonders schwierig wird es, wenn diese Menschen durch Krankheit arbeitsunfähig werden. Zwar gibt es Gerichtsurteile und verbindliche Bestimmungen der Europäischen Union, dennoch werden in der Praxis berechtigte Ansprüche oft nicht gewährt. Die Betroffenen kommen mit falschen Bescheiden in die Beratungsstellen, berichten Wohlfahrtsverbände.
Klar ist, dass in Deutschland niemand in den ersten drei Monaten seines Aufenthalts Anspruch auf Sozialleistungen hat. Diese Ansprüche müssen vielmehr erarbeitet werden. Das ist für die osteuropäischen EU-Bürger, deren Länder 2004 oder später beigetreten sind, besonders schwierig, da sie in Deutschland nur als Selbstständige arbeiten dürfen. Eine abhängige Beschäftigung können sie laut Aufenthaltsgesetz nur als Saisonarbeiter aufnehmen, oder wenn sie bereits fünf Jahre und länger in Deutschland leben. Ist das nicht der Fall, muss der interessierte künftige Arbeitgeber nachweisen, dass es auf dem Arbeitsmarkt keinen vergleichbar qualifizierten deutschen Bewerber gibt. Diese sogenannte Vorrangprüfung wird von den Arbeitsagenturen meist nur für wenige meist akademische Berufe positiv beschieden. Alle anderen dürfen in Deutschland bisher nicht angestellt werden.
Ab Mai 2011 gilt auch für Polen, Tschechen etc. die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die EU-Bürger, die 2007 beigetreten sind (Rumänen und Bulgaren) müssen in fast allen EU-Ländern bis 2014 auf die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit warten. Bis dahin gilt für sie eine Übergangsfrist. epd/ND
Die Regelungen in der EU auf einen Blick
Jeder EU-Bürger hat das Recht, in allen Ländern der Europäischen Union zu arbeiten. Mit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 konnten die alten EU-Länder diese Freizügigkeit allerdings für eine Übergangszeit von maximal sieben Jahren einschränken. Deutschland und Österreich haben diese Möglichkeit voll ausgeschöpft. In Deutschland dürfen die neuen EU-Bürger aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Lettland, Estland, Litauen, Ungarn und Slowenien bis 30. April 2011 nur als Selbstständige arbeiten. Schweden, Großbritannien und Irland gewährten hingegen den EU-Bürgern aus Osteuropa von Anfang an die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Seit 2007 gilt diese Übergangsfrist bis 2014 auch für die neuen EU-Länder Rumänien und Bulgarien. Großbritannien und Irland haben ihre Arbeitsmärkte für Rumänen und Bulgaren vorerst verschlossen.
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