Plagiate sind Juristensache
Zu Guttenberg hat Glück, dass er bisher nicht massiv verklagt wurde
Mal abgesehen davon, ob man nun befürchten muss, dass Karl-Theodor zu Guttenberg auch in anderen Bereichen des Lebens »Spezialist« für Plagiate ist – und etwa Platzpatronen für Afghanistan orderte –, könnte seine »fehlerhafte« Doktorarbeit auch juristische Folgen haben: wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht. Demnach könnte sich ein Staatsanwalt der Sache annehmen und versuchen, eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft für den Minister zu beantragen. Er wäre damit in gewisser Weise ein Pionier. Denn das deutsche Urheberrecht sieht diese Option bei »Textklau« zwar vor, allerdings ist die juristische Praxis eine andere. So ist es üblicher, bei solchen Verstößen aufs Zivilrecht zu setzen, das zusätzlich zum Strafrecht möglich ist.
Wenn sich ein Buch als Plagiat entpuppt, wird normalerweise eine umfassende Unterlassungserklärung verlangt. Das heißt, dass der Verlag und der Autor, mitunter sogar die einzelnen Buchläden und Bibliotheken, unterschreiben müssen, dass sie hohe Geldstrafen zahlen, wenn sie das Machwerk noch weiter vertreiben. Sogar die Herausgabe und Vernichtung etwa in Archiven verbliebener Exemplare kann ein »Beklauter« verlangen.
Sollte die Unterlassungserklärung verweigert werden, sieht das Zivilrecht eine mächtige Beschleunigung vor: Mit dem Begehr einer »einstweiligen Verfügung« kann ein rechtsverletzendes Schriftstück sofort vom Markt gedrückt werden. Bei eindeutiger Beweislage würde die spätere so genannte Hauptverhandlung die Änderung der Doktorarbeit durch Säubern von Plagiatsstellen erzwingen.
Das Urhebergesetz sieht aber nicht nur die Unterlassung, sondern auch die Zahlung von Schadensersatz an die Beklauten vor. Würden nun alle Betroffenen eine entsprechende Klage oder auch eine Sammelklage einreichen, könnte das den »Bundeswehr-Minister« in neue Kalamitäten bringen. Denn dadurch würde deutlich, wie vieler Leute Rechte er verletzte.
Bislang ist von Klagen seitens der Bestohlenen allerdings nichts bekannt. Die Gründe sind verschieden. So kennen manche ihre Schadensersatzansprüche gar nicht, weil das Urheberrecht in Deutschland zwar gut und stark, aber relativ unbekannt ist. Andere mögen ein schlechtes Gewissen haben, weil sie selbst schon mal abgeschrieben haben. Ihnen tut der Minister leid, gelegentlich gar aus Parteiräson. Wieder andere scheuen den Aufwand, für eine relativ geringe Entschädigung zu streiten: Ihnen reicht als Genugtuung die Blamage des Ministers.
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