»Der Süden macht uns dies gerade vor«
Hunderttausende Griechen forderten beim ersten Generalstreik des Jahres einen Politikwechsel
Nach sieben Generalstreiks im vergangenen Jahr wehrten sich die betroffenen Erwerbstätigen des Landes am Mittwoch erneut gegen umgesetzte und geplante Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen, die Aufweichungen im Kündigungsschutz und die Aushebelung von Tarifverträgen. Hunderttausende Werktätige waren dem Aufruf der beiden Gewerkschaftsdachverbände ADEDY (öffentlicher Dienst) und GSEE (private Wirtschaft) gefolgt und hatten das Land für einen Tag lahmgelegt.
Schulen, Behörden, Banken und Universitäten blieben geschlossen, die Schiffe im Hafen und die Züge in den Bahnhöfen. Für vier Stunden blieb über Mittag auch der Luftraum über Griechenland geschlossen und am Boden arbeiteten die Unternehmen im öffentlichen Nahverkehr nur, um die Teilnahme der Streikenden an den Demonstrationen zu gewährleisten. Im Fernsehen und Rundfunk gab es keine Nachrichten und am heutigen Donnerstag erscheinen keine Tageszeitungen. Auch die Mehrzahl der Großbetriebe wurde bestreikt. Lediglich die meisten kleinen Läden hatten trotz Aufrufs des Handelsverbandes, sich dem Streik anzuschließen, geöffnet.
Im ganzen Land gab es Streikdemonstrationen, die beiden größten in der Hauptstadt Athen. Auf der von mehreren tausend Streikenden besuchten Kundgebung der Gewerkschaftsdachverbände vor der Zentrale der GSEE wandte sich GSEE-Generalsekretär Vangelis Bousoulas mit dem Aufruf zum gemeinsamen Kampf aller Lohnabhängigen an die versammelten Gewerkschafter. Nur gemeinsam könne der von der Regierung geplante Ausverkauf des öffentlichen Reichtums gestoppt werden.
Eben um diese Einheit aber ist es nach Meinung vieler Gewerkschafter schlecht bestellt. »Die Situation ist schwierig, weil die Herrschenden es geschafft haben, uns gegeneinander auszuspielen«, erklärte Iraklis Mafounis im ND-Gespräch. Nach Meinung des GENOP-Gewerkschafters beim griechischen Stromkonzern DEI spielt dabei auch die Prägung der öffentlichen Meinung durch die elektronischen Massenmedien eine Rolle. »Es braucht seine Zeit, bis wir unsere Vereinzelung überwinden und den Hintern vom Sofa hochkriegen«, so Mafounis, der aber davon überzeugt ist, dass »der Sturz der herrschenden Politik« möglich ist. »Der Süden macht uns dies gerade vor«, sagte er optimistisch. Auf der wenige hundert Meter entfernten Kundgebung der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME forderte deren Sprecher die Zehntausenden auf, einen langen Atem zu zeigen. »Wir wissen, dass der Weg lang ist und harte Kämpfe und viele Opfer erfordern wird«, erklärte Giorgos Skiadotis und rief die Gewerkschafter zum »permanenten Kampf, Fabrik um Fabrik, Branche um Branche für die Bildung einer starken Widerstandsfront« auf. Auf beiden Kundgebungen wandten sich Sprecher einer Gruppe der seit dem 25. Januar mit der Forderung nach Legalisierung aller Migranten im Hungerstreik befindlichen Arbeitsmigranten an ihre griechischen Kollegen. Auf zwei Gewerkschafter gestützt und sichtlich entkräftet, betonte Hasan K. auf der Kundgebung von GSEE und ADEDY, die einheimischen und eingewanderten Werktätigen führten einen gemeinsamen Kampf.
Während die sich der Kundgebung anschließende Demonstration der PAME zum Parlament friedlich verlief, kam es auf dem Marsch von GSEE, ADEDY und Organisationen der außerparlamentarischen Linken und des anarchistischen Spektrums zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
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