Erschienen: Plagiat. Eine unoriginelle Literaturgeschichte

  • Lesedauer: 2 Min.

»Man mag es auf den ersten Blick übersehen, aber gerade all diese Erleichterungen des computerisierten Arbeitens kehren in universitären Plagiatsdebatten als Verdachtsmomente wieder, denn der Verfall des wissenschaftlichen Ethos beginnt nicht erst bei jenem Vorgang, der allgemein unter ›Copy/Paste‹ geführt wird – er endet dort. So zeigt sich auf eigenartige Weise, dass die Reflexionen, die um die Digitalisierung des Schreibens kreisen, sich in vielen Punkten analog zu jenen Reflexionen verhalten, denen wir im Umfeld des Buchdrucks begegnet sind. Wir erinnern uns: Dort, insbesondere bei Luther, hatte sich der Plagiatsbegriff sehr eng mit dem Begriff der ›Arbeit‹ zusammengeschlossen. Zum Plagiator wurde infolgedessen derjenige, der andere für sich arbeiten ließ, sich Handschriften stahl, die sich mitunter noch im Arbeitsprozess befanden, und diese eben nicht von Hand kopierte (was ja wiederum ›Arbeit‹ gewesen wäre), sondern drucken ließ. Im Stigma des Netzplagiators erfährt dieses Argument nun auf einmal eine unerwartete Aktualisierung. [...] Den vernetzten Texträuber trifft [...] die volle Härte und Verachtung protestantischer Wissenschaftskultur: Nichts an seinem Erzeugnis trägt menschliche Spuren. [...] Der digital produzierende Plagiator muss [...] prinzipiell überhaupt nichts von dem verstehen, was er kopieren lässt, und deswegen – auch das ist ganz lutherische Logik – wird er auch der Wahrheiten, mit denen er hausieren geht, niemals teilhaftig.«

Aus Philipp Theisohn: Plagiat. Eine unoriginelle Literaturgeschichte. Kröner Verlag, 2009.

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