Halbe Ohrfeige für »Zensursula«

Bundesinnenminister de Maizière gegen sofortige Internetsperren

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Die bereits von der Großen Koalition beschlossenen Internetsperren wird es zunächst weiterhin nicht geben. Vor allem in der Union gibt es Uneinigkeit darüber.

Eigentlich sind sie seit einem Jahr gesetzlich vorgeschrieben: Internetsperren von Kinderporno-Webseiten. Doch das »Zugangserschwerungsgesetz« der Großen Koalition wurde ein Jahr lang auf Eis gelegt. Nun bröckeln die Fronten: Soll es endlich angewandt werden? Innerhalb der Union herrscht Streit in dieser Frage. Koalitionspartner FDP ist ohnehin dagegen.

Der Konflikt wurde mit harten Bandagen ausgefochten. Und die Fronten waren klar im Jahr 2009: Für Internetsperren als Mittel gegen die Verbreitung von Kinderpornografie – also das Herausfiltern entsprechender Inhalte – stimmten die Parlamentarier der Großen Koalition beinahe geschlossen. Allen voran schritt die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) von ihren Gegnern auch »Zensursula« genannt. Auf der anderen Seite: Grüne, LINKE, Liberale – und vor allem der aufgeklärte Teil der Netzgemeinde. Sie forderten: »Kinderpornoseiten löschen statt sperren.« Ihr Argument: Wer solche kriminellen Webseiten sperren kann, der kann den Bürgern künftig auch den Zugang zu anderen, ihm unliebsame Seiten verwehren. Die Internetsperren-Gegner beriefen sich auf den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar, der kritisierte: »Es entsteht eine Infrastruktur, die sich auch für eine umfassende Zensur verwenden ließe.«

Kurz darauf kam die FDP in die Bundesregierung. Die Internetsperren wurden, obwohl gesetzlich seit Februar 2010 vorgeschrieben, ausgesetzt. Zunächst für ein Jahr. Dann wollte man weitersehen.

Dieses Jahr ist nun vorbei. Und auch in den Unionsparteien formiert sich Widerstand gegen die Sperrmaßnahmen. Strikt gegen Internetsperren spricht sich die Junge Union aus. Gleiches gilt für die Vize-Generalsekretärin der CSU, Dorothee Bär, die ihrer Partei ein moderneres Gesicht verpassen will. Internetsperren, so Bär, seien verfassungswidrig, kontraproduktiv und ein Innovationshemmnis. Sie arbeite daran, »die Mehrheit in der Union auf meine Seite zu bekommen«.

Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) lehnt immerhin »sofortige« Internetsperren ab. Entsprechenden Forderungen aus der Unions-Bundestagsfraktion, insbesondere von Vize Günter Krings, erteilte er eine Absage. Sein Kollege Michael Kretschmer wies Krings' Forderungen zurück – und zweifelte dessen Kompetenz.

Krings und Co. meinen, Löschversuche hätten sich »als Flop« erwiesen. Doch laut dem Bundesverband der Internetwirtschaft hat sich das Lösch-Prinzip bewährt: In Deutschland gehostete Bilder waren binnen eines Tages gelöscht, im Ausland dauerte es meist nicht länger als eine Woche.

Krings' »Testballon« sei geplatzt, glaubt Markus Beckedahl, Chefredakteur des einflussreichen Weblogs »netzpolitik.org«. De Maizière habe den Forderungen nach zeitnaher Einführung von Netzsperren »eine klare Absage« erteilt. Allerdings, so Beckedahls Interpretation, lehne der Minister Netzsperren nicht generell ab, sondern bringe sie »explizit neben Löschen weiter ins Spiel«.

Durchwachsen fällt auch das Urteil von Halina Wawzyniak aus. Sie begrüße zwar, dass der Innenminister »das Zugangserschwerungsgesetz jetzt nach Ablauf der Einjahresfrist nicht sofort anwenden will«. Doch stecke dahinter »offensichtlich nicht die Einsicht, dass Netzsperren Unsinn sind, sondern Angst vor einem Koalitionskrach«. Die Bundesregierung habe ein Jahr lang Zeit gehabt, das von der Großen Koalition beschlossene Gesetz aufzuheben. »Der Eiertanz der Koalition bei diesem sensiblen Thema zeigt, dass die Union offenbar weiter an Netzsperren festhalten will.«

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