Lehrer wollen endlich den Feudalismus abschaffen

Tarifrunde im öffentlichen Dienst: 3000 Warnstreikende allein in Sachsen / Am Dienstag werden Schulen im Osten lahmgelegt

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Anfang Februar laufen die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst; bisher haben die Arbeitgeber nicht einmal ein Angebot vorgelegt. Nun erhöhen die Gewerkschaften den Druck, und am Dienstag werden Schulen in ganz Ostdeutschland bestreikt.

Preisfrage: Wer sind die beiden am besten bezahlten Arbeitslosen der Republik? Die Antwort wurde gestern vor dem Haus der Gewerkschaften am Dresdner Schützenplatz von streikenden Lehrern gegeben: Das seien Hartmut Möllring und Georg Unland. Die beiden sind CDU-Finanzminister – ersterer in Niedersachsen, letzterer in Sachsen –, und sie führen die Arbeitgeberseite bei den Tarifgesprächen für den öffentlichen Dienst, die seit dem 4. Februar laufen. Die beiden hätten in den beiden bisherigen Gesprächsrunden nicht einmal ein Angebot vorgelegt – ein klarer Fall von Arbeitsverweigerung, kritisieren Gewerkschafter und rügen die »Arbeitslosen« mit Ministersalär.

Jetzt aber sollen Möllring und Unland zur Aufnahme einer Tätigkeit gedrängt werden. Nachdem schon in den vergangenen Tagen bundesweit Warnstreiks mit geschätzten 27 500 Teilnehmern stattfanden, wurden gestern Lehrer unter anderem in Sachsen zum befristeten Ausstand aufgerufen; vier Unterrichtsstunden fielen deshalb am vierten Tag nach den Winterferien aus. Geht es nach den Gewerkschaften, war das freilich nur Vorgeplänkel. Für nächsten Dienstag sind Lehrer in allen ostdeutschen Ländern und Berlin zu ganztägigen Arbeitsniederlegungen aufgerufen; in Dresden soll es eine Großkundgebung vor Unlands Ministerium geben. Wegen dessen Rolle am Verhandlungstisch, sagt DGB-Vizechef Markus Schlimbach, »sind wir hier in Sachsen besonders gefordert«.

Durchsetzen wollen die Lehrer neben höheren Gehältern – gefordert werden einmalig 50 Euro sowie drei Prozent mehr – vor allem einen Vertrag, der eine flächendeckend gleiche Eingruppierung sichern soll. Bisher sei es den Ländern überlassen, in welche Gehaltsgruppe sie Lehrer und Hochschulbeschäftigte einstufen, sagt Ilse Schaad, die für die Bildungsgewerkschaft GEW am Verhandlungstisch sitzt. Die Folge: Ein Diplomdolmetscher erhalte etwa im diplomatischen Dienst eine höhere Stufe, als wenn er an einer Schule Sprachen unterrichtet; zudem variieren Gehälter von Land zu Land – bei gleichen Abschlüssen. Sachsen, merkt Schaad an, bezahle dabei gern noch eine Gehaltsstufe niedriger als andere Ost-Bundesländer. Generell würden die Beschäftigten »nach feudaler Gutsherrenart eingruppiert«, zürnt die GEW-Frau und fügt unter dem Beifall der rund 1000 Teilnehmer hinzu: »Wir wollen diese Willkür beenden.«

Dass ausgerechnet für die Lehrer eine bundesweite Regelung zur Eingruppierung fehlt, während es eine solche etwa für Binnenschiffer gebe, hält Schaad für besonders ärgerlich; immerhin stellen diese die größte Gruppe der Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder: Von insgesamt rund 800 000 Angestellten sind 200 000 Lehrer an den Schulen; weitere 100 000 unterrichten an Hochschulen. Die Zahlen belegen freilich auch, warum Korrekturen an dieser Stelle die Länder besonders schmerzen: Sie werden in Summe sehr teuer.

Bei den Gewerkschaften betont man angesichts dessen, dass die aktuelle Gehaltsforderung »realistisch und keineswegs überzogen« ist, wie es Steffen Pabst formuliert, Vize-Landeschef des Philologenverbands. Sie sei vergleichbar mit den Abschlüssen in verschiedenen Industriebranchen, sagt DGB-Vize Schlimbach. Seiner Aussage zufolge entsprechen die Einmalzahlung und die prozentuale Erhöhung zusammen einem durchschnittlichen Plus von fünf Prozent.

Zugleich appellieren Funktionäre an die Geschlossenheit des Berufsstandes; Grund-, Berufsschul- und Gymnasiallehrer dürften sich anders als früher nicht gegeneinander ausspielen lassen, mahnt Schaad: »Sonst wird die Treppe von oben gekehrt.« Und sie drängen Unentschlossene zur Teilnahme. Wer zuhause bleibe oder am Arbeitsplatz, betont die GEW-Vorständlerin, »der hält sich nicht raus, sondern er betreibt das Geschäft der Arbeitgeber«.

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