Streitfrage: Eine Ausstiegsklausel für Bundesländer im CO2-Speichergesetz?

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Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS) – hinter diesem englischen Namen steckt ein umstrittenes Umweltverfahren. Bei der CCS-Technik wird klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) abgeschieden und unterirdisch gespeichert. CCS gilt als Möglichkeit, Kohlekraftwerke, die viel CO2 in die Atmosphäre blasen, langfristig am Netz zu halten. Die Bundesregierung will mit einem Gesetz das CCS-Verfahren testen. In Brandenburg zum Beispiel errichtet der Energieriese Vattenfall ein Demonstrationskraftwerk in Jänschwalde und hat bereits eine Pilotanlage in Spremberg (Ortsteil Schwarze Pumpe). Einzelne Bundesländer wehren sich gegen CCS. Besonders in Schleswig-Holstein setzt man sich für eine Gesetzesklausel ein, die es den Ländern ermöglichen soll, CO2-Speicher abzulehnen.

Die Klausel als Minimalkonsens

Von Marlene Löhr

Die Katastrophe in Japan und vor allem die Ereignisse in den Kernreaktoren von Fukushima haben auch in Deutschland die Atomdebatte verändert. Niemand bestreitet mehr, dass es bei den Aspekten Sicherheit und Restrisiko erneuten Diskussionsbedarf gibt.

In Japan hat sich gezeigt, was passiert, wenn eine Hochrisikotechnologie versagt. Doch im Schatten der deutschen Atomdebatte läuft die Diskussion um eine weitere hochriskante Technologie: die Verpressung von CO2 in den Untergrund. Aus Klimaschutzgründen soll sie schon sehr bald zum Einsatz kommen.

Doch auch CCS birgt große Risiken. Die akute und bedrohliche Gefahr ist, dass das verpresste CO2 durch Risse und undichte Stellen plötzlich wieder an die Oberfläche gelangt. Reichert sich die Luft dann mit Kohlendioxid an, wird das sehr schnell lebensbedrohlich für Menschen und Tiere, die in der Gegend leben. So geschehen im kanadischen Saskatchewan, wo CCS bereits getestet wird. Plötzlich lagen die Kühe tot auf der Weide.

Neben dieser akuten besteht aber auch die Gefahr, dass das Gas schleichend entweicht – das wäre nicht lebensbedrohlich, aber dem Klimaschutz wäre damit auch nicht geholfen. Man würde also buchstäblich viel Forschungsgeld und -zeit in den Untergrund verpressen, ohne dass es am Ende irgendjemandem genutzt hätte.

Bisher gibt es keine verlässlichen Aussagen darüber, ob das Gas im Untergrund bleibt. Wozu es allerdings schon Forschung gibt, sind die Reaktionen, die CO2 im Untergrund auslösen könnte. Einhellig kommen viele ExpertInnen zu der Schlussfolgerung, dass CO2 das Grundwasser verunreinigen und die Trinkwasserversorgung erheblich gefährden könnte. Zudem steht nirgendwo geschrieben, dass nur »reines« CO2 verklappt werden darf – eine Beimischung von Schwermetallen und Stickoxiden ist also durchaus denkbar.

Der nun vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass ein Bundesland selber entscheiden kann, ob es CCS zur Anwendung bringen will oder nicht. Aus schleswig-holsteinischer Sicht ist das ein Minimalkonsens, denn eigentlich muss es um die grundsätzliche Frage gehen, ob wir CCS in Deutschland haben wollen oder nicht. Gas im Untergrund macht an Landesgrenzen nicht halt, so dass ein Bundesland, das sich für die Verpressung entscheidet, auch sehr schnell ein anderes Bundesland vor vollendete Tatsachen stellen kann.

Dass nun gerade SPD und Linkspartei in Brandenburg ein bundesweites CCS-Gesetz fordern, welches Ländern die Verpressung von Kohlendioxid aufzwingen kann, ist ein erstaunlicher Vorgang. Streiten beide Parteien anderswo dafür, dass die Forschungsgelder in Maßnahmen investiert werden, die nachweisbar und verlässlich zum Klimaschutz beitragen, will insbesondere die LINKE in Brandenburg unbedingt eine Erforschung und Anwendung von CCS.

Verschwiegen wird dabei, dass der vorliegende Gesetzentwurf – wie so oft bei solchen Technologien – die Risiken sozialisiert, während die Gewinne privatisiert werden. Gerade mal für 30 Jahre müssen die Betreiber Nachsorge für die CO2-Lager betreiben, danach haftet der Staat für alle Schäden. Was den Menschen in Schleswig-Holstein aber noch viel mehr Angst macht, ist die Tatsache, dass die Beweislast für Schädigungen beim Geschädigten liegt. GrundstückseigentümerInnen müssen also dem Betreiber einer solchen Anlage – in Brandenburg wäre das Vattenfall – nachweisen, dass sie Schäden durch die Anlage erfahren haben und nicht umgekehrt.

Die Linkspartei kämpft dafür, dass sich kein Bundesland der Verpressung von CO2 entziehen kann, weil sie nicht als Einzige die Risiken der Technologie tragen will und zeitgleich der Meinung ist, mit CCS Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie sichern zu können. Diese Forderung bedeutet allerdings eine wahnsinnige Ignoranz gegenüber den Sorgen der Bevölkerung in Gebieten, die für CCS geeignet sind. Spätestens seit der Atomdebatte in Deutschland wissen wir, dass Risiken unterschiedlich eingeschätzt werden. Den Menschen im Norden ist das Risiko einer CCS-Verpressung zu hoch, unabhängig davon, wie die BrandenburgerInnen sich entscheiden. Hier stecken wir das Forschungsgeld lieber in die erneuerbaren Energien, denn die schonen das Klima, haben keine Gesundheitsrisiken und schaffen Arbeitsplätze.

Marlene Löhr, 1985 in Lüneburg geboren, ist Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein.

Nicht allein auf Brandenburgs Kosten

Von Ralf Christoffers

Die CCS-Technologie ist aus der Sicht der brandenburgischen Landesregierung eine Möglichkeit, den CO2-Ausstoß in Brandenburg, Deutschland und der Welt zu mindern. Sie könnte damit zur Begrenzung des globalen Klimawandels beitragen. Im Koalitionsvertrag der Landesregierung ist der Vorrang für erneuerbare Energien ebenso als Ziel formuliert, wie die Braunkohleverstromung als Brückentechnologie. Außerdem ist die schrittweise Umstellung auf CO2-arme Kraftwerke entsprechend der klimapolitischen Zielstellung der Landesregierung vereinbart. Damit verbunden ist die Erprobung und Demonstration der CCS-Technologie.

Eine Erprobung der CCS-Technologie kann aber nur auf der Grundlage eines bundesweit geltenden Gesetzes als Teil einer nationalen Klimaschutz- und Energiestrategie erfolgversprechend sein. Ohne eine eindeutige und belastbare rechtliche Grundlage wird es in Deutschland weder weitergehende Forschung noch eine Demonstration oder gar kommerzielle Nutzung der CCS-Technologie geben können. Bereits vor zwei Jahren hatten wir Eckpunkte vorgestellt, die aus unserer Sicht in ein CCS-Gesetz Eingang finden sollten. Dieses nationale CCS-Gesetz muss – wie wir bereits in der Länder-Anhörung zum Referentenentwurf 2009 gefordert hatten – vor allem die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten und eine CO2-Speicherung zu Forschungs- und Demonstrationszwecken in ganz Deutschland grundsätzlich ermöglichen. Eine Ausstiegsklausel für einzelne Bundesländer lehnt die brandenburgische Landesregierung ab.

Eine Erprobung der CCS-Technologie allein auf Kosten und zu Lasten des Landes Brandenburg und seiner Bürger darf es nicht geben. Dies wäre auch aus industriepolitischen Gründen nicht akzeptabel. Klimaschutz und eine stabile Energieversorgung miteinander zu vereinbaren, sind eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Wir werden uns dagegen wehren, dass einige Regionen in Deutschland die Kosten und Lasten der Versorgung mit Energie zum Beispiel durch Tagebaue, Umsiedlungen oder den Netzausbau zur Aufnahme des Stromes aus erneuerbaren Energien alleine tragen und andere sich vollständig aus der Verantwortung ziehen.

Auch würde die Brandenburger Bevölkerung vor Ort die CO2-Speicherung mit einem Schmalspur-CCS-Gesetz nur für das Vattenfall-Demonstrationsprojekt kaum akzeptieren. All unsere Bemühungen auf Landesebene, durch umfassende Information, Transparenz in den Verwaltungsverfahren und intensiven Dialog mit den betroffenen Regionen dazu beizutragen, dass eine ergebnisoffene geologische Erkundung des Untergrundes erfolgen kann, wären mit einem Schlag zunichte gemacht.

Das CCS-Gesetz sollte zunächst auf Forschungs und Demonstrationsanlagen in ganz Deutschland beschränkt sein. Ob die CCS-Technologien für alle neuen Kraftwerke oder Industrieanlagen verbindlich vorgeschrieben werden können, sollte erst dann entschieden werden, wenn hinreichend nachgewiesen wurde, dass die Speicherung von CO2 für den Menschen und die Umwelt ungefährlich und CCS wirtschaftlich ist.

Denn Priorität muss die Sicherheit der Bevölkerung haben – sowohl bei der Erkundung des Untergrundes als auch bei der Erprobung der CCS-Technologien. Wenn sich bereits bei der Erkundung herausstellen sollte, dass diese Sicherheit nicht gewährleistet werden kann, wird auch nicht gespeichert. Diesen Grundsatz haben wir bereits 2009 festgelegt. Dazu gehört auch, dass die für die Erkundung notwendige Aufsuchung von privaten Grundstücken keinesfalls durch den Einsatz der Polizei erzwungen werden wird.

Der vom brandenburgischen Landesamt für Bergbau genehmigte Hauptbetriebsplan zur Untersuchung des Untergrundes in der Region Birkholz-Beeskow stellt lediglich das Rahmenkonzept für die Erkundung dar. Auf dieser Grundlage kann weder mit der Erkundung noch mit der CO2-Speicherung begonnen werden. Der Hauptbetriebsplan muss durch sogenannte Sonderbetriebspläne konkretisiert werden. Ausdrücklich möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass die Genehmigungen der Sonderbetriebspläne erst dann erteilt werden, wenn ein bundesweit geltendes CCS-Gesetz vorliegt. Das bedeutet, ohne ein bundesweit geltendes CCS-Gesetz wird in Brandenburg nicht erkundet.

Die Bundesregierung steht in der Pflicht, die CCS-Richtlinie der EU vollständig in nationales Recht umzusetzen. Denn die Versorgung mit Energie ist ebenso wie Klimaschutz eine nationale Aufgabe. Dies gilt nicht nur für die Stromerzeugung aus Braunkohle. CCS könnte ebenso in energieintensiven industriellen Branchen zum Einsatz kommen. Derzeit sieht es so aus, als bliebe diesen Betrieben kein anderer Weg, als die in den Produktionsprozessen entstehenden CO2-Emissionen abzuscheiden, wenn die Klimaschutzziele erreicht werden sollen. Ohne eine gesetzliche Regelung aber rücken diese Ziele in immer weitere Ferne.

Ralf Christoffers, Jahrgang 1956, ist Mitglied der Linkspartei und Wirtschafts- und Europaminister in Brandenburg.
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