Wenn der Wind übers Meer weht ...
Unklare Folgen der Radioaktivität aus dem AKW Fukushima 1 für Fauna im Pazifik
Erste Meldungen berichten von Lebensmitteln aus Japan mit radioaktiver Verseuchung. Für Deutschland gab die Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) am Donnerstag Entwarnung. Wegen der Erdbebenkatastrophe gebe es derzeit ohnehin keine Importe aus Japan, so die Ministerin. Erst wenn Japan selbst eine erhöhte Strahlenbelastung bei Lebensmitteln vermelden sollte, werde ein EU-Krisenmechanismus in Kraft gesetzt. Deutschland habe die Kontrollen bereits verstärkt, berichtete Aigner.
Auch die Stiftung Warentest gibt vorläufig Entwarnung, kommen doch nur 0,1 Prozent aller im vergangenen Jahr nach Deutschland importierten Nahrungs- und Genussmittel aus Japan. Die wichtigsten Produkte sind Sojasoßen, Tee, Teigwaren und alkoholische Getränke.
Wissenschaftler vom Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) in Hamburg schließen aus, dass Fische und Meeresprodukte aus Japan deutsche Konsumenten gefährden könnten. Zwar sei zu erwarten, dass radioaktives Cäsium mit dem Regen in den Pazifischen Ozean gelangt. Fischereiökologen würden aber nur in der Nähe von Fukushima mit einer deutlichen Erhöhung der Cäsium-Werte im Wasser rechnen. Der erbgutverändernde Stoff würde durch Meeresströmungen verteilt und so deutlich verdünnt.
Angesichts des unklaren Ausgangs der Katastrophe im stark beschädigten Atommeiler von Fukushima stellt sich die Frage nach den langfristigen Folgeschäden auf Mensch und Umwelt. Beim Versuch, die Folgen abzuschätzen, kann allein auf die Erfahrungen der Vergangenheit zurückgegriffen werden. Im Gegensatz zu Tschernobyl, wo am 26. April 1986 durch die Explosionen und den folgenden Brand im Reaktor 4 große Wolken radioaktiver Gase und Partikel bis zu neun Kilometer in die Atmosphäre geschleudert wurden, erwarten Experten in Japan beim jetzigen Stand eine lokal begrenzte radioaktive Verseuchung.
Die 2006 von der EU-Parlamentarierin Rebecca Harms (Grüne) in Auftrag gegebene TORCH-Studie zu den Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe geht von einer durch Cäsium kontaminierten Fläche von 3,9 Millionen Quadratkilometern aus, was »40 Prozent der Gesamtfläche Europas entspricht«. 2,3 Prozent davon, seien mit 40 000 Becquerel (Bq) pro Quadratmeter mit Cäsium-137 »stark belastet«. Für Nahrungsmittel liegt der EU-Grenzwert bei 600 Bq Cäsium-137 pro Kilogramm.
Eine Studie des Bundesministeriums für Umwelt zu den Spätfolgen Tschernobyls gibt Entwarnung für Fische. Unabhängig davon, ob sie aus dem Meer oder aus Binnengewässern stammten, sei nach der Reaktorexplosion praktisch nur Cäsium-137 und Cäsium-134 aufgetreten. »Die Aktivität dieser Nuklide nahm bereits seit Mitte des Jahres 1987 wieder kontinuierlich ab, wobei Cäsium-134 schon seit einigen Jahren nur noch sehr selten nachgewiesen werden kann«, so Autor Ulrich Rieht, Chemiker im Institut für Fischereiökologie am vTI.
Lexikon: Becquerel
Die Maßeinheit Becquerel (Abkürzung: Bq) ist nach dem Entdecker der Radioaktivität, dem französischen Physiker Antoine Henri Becquerel benannt. Sie gibt die mittlere Anzahl der Atomkerne an, die pro Sekunde radioaktiv zerfallen. Anders als bei der in Sievert angegebenen Äquivalentdosis erlauben Becquerel-Werte keine direkte Aussage über die biologische Wirkung, da diese u.a. von der Art der beim Zerfall abgegebenen Strahlung abhängt und davon, wo im Körper der radioaktive Stoff sich gerade befindet.
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