Futtermeile neben den Gleisen
Deutsche Bahn ändert Strategie bei Vermarktung der Bahnhofsgebäude
Für die meisten Bürger ist das Bahnhofsgebäude das Symbol der Deutschen Bahn (DB), obwohl viele nicht mehr dem bundeseigenen Unternehmen gehören. Sie wurden zu Geld gemacht und dann umgebaut – zu Wohnhäusern, Museen, Bibliotheken, Tanzschulen etc. Investoren kauften die Gebäude, teilweise ohne zu wissen, was daraus werden soll. Einige sind nur noch Ruinen, was der Bahn eigentlich längst ein Ärgernis sein müsste.
Etwa 1000 Bahnhofsgebäude verkaufte die Deutsche Bahn 2007 an den britischen Immobilienfonds Patron Capital, der sich verpflichtete, diese mit 15 Millionen Euro binnen fünf Jahren zu sanieren. Der aber ließ sie verfallen. Noch werden für weitere rund 900 Bahnhofsgebäude Investoren gesucht. Statt an Immobilienhaie denkt man aber an Kommunen, die sich wegen überhöhter Verkaufspreise der Bahn bisher zurückhielten.
Noch aber befinden sich 5400 Bahnhofsgebäude im Besitz des Staatskonzerns. 600 gelten ihr als lukrativ. André Zeug, Vorstand der DB-Sparte Station & Service, äußerte kürzlich, jeder Bahnhof sei ein Unikat. Man wolle verhindern, dass er verkommt.
Dieser Satz trifft freilich nur noch für die äußere Hülle des Bauwerks zu; innen sind viele längst nicht mehr wiederzuerkennen. Statt bahntypischer Einrichtungen wie Fahrkartenschalter, Gepäckabfertigung, Warteräume oder Bahnhofswirtschaft haben sich Schmuckbuden, Bratwurststände und diverse Imbissketten breit gemacht. Das Reisezentrum, im De-Lucchi-Design verhübscht, ist dagegen kaum zu finden. Warteräume ohne Kaufzwang sind selten geworden. Selbst in dem von Touristen gut besuchten und von Zugverspätungen geplagten Bahnhof Eisenach findet man nur eine unwirtliche Stube mit wenigen Plätzen, in der man sich niederlassen kann, ohne einen Becher Kaffee oder ein Croissant kaufen zu müssen.
Der Exzess mit dem Shoppen im Bahnhof begann am 29. April 1996 im Leipziger Hauptbahnhof, als der Hamburger Shoppingmallbetreiber ECE den Grundstein für einen gigantischen Umbau des Gebäudes legte. Der andere Großinvestor, dem die Hauptbahnhofsflächen in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt am Main und Stuttgart zur Vermarktung überlassen wurden, ist die schwedische Select Service Partners (SSP). Sie betreibt 179 Bahnhofsgeschäfte mit 104 Millionen Euro Umsatz 2010.
Nun aber nimmt die Deutsche Bahn die Vermarktung zunehmend wieder selbst in die Hand. In Köln und Hannover gelang das bereits. Spartenchef André Zeug sagte kürzlich der »Wirtschaftswoche«, es täte ihm in der Seele weh, wenn einzelne Bahnhofsgebäude unter fremder Regie geführt werden, weil dort Erbpachtverträge laufen. Ärgerlich sieht er etwa auf den Nordsteg des Hamburger Hauptbahnhofs, wo der Rubel rollt.
Statt der früher ausgehandelten Miete hätte die Bahn jetzt lieber die Erträge der Läden in der Kasse. Die Beteiligung am Umsatz richtet sich nach Ladengröße und Standort, und da ist die Bahn nicht zimperlich. Einige Franchise-Unternehmer, wie die in den »Service Stores« (»Fahrkarte und Bockwurst«), haben schon das Handtuch geworfen.
Und der Reisende? Er findet auf den großen Bahnhöfen Sushi und Austern, auf den mittleren Baguette und Bier. Nur an den Dienstleistungen der Bahn in ihren Bahnhöfen und am Verfall der kleinen Gebäude soll sich offenbar nichts ändern.
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