Beschwerden über missratene Werbung nehmen zu
Die Bürger beschwerten sich im vergangenen Jahr mit 907 Eingaben über 298 Werbekampagnen. Wenn der Werberat die Unternehmen aufforderte, die Reklame zu ändern oder zu unterlassen, reagierten mehr als 90 Prozent der Unternehmen und nahmen die Werbung aus dem Markt. Damit erweise sich die Durchschlagskraft der Selbstkontrolle, betonte der Werberats-Vorsitzende Hans-Henning Wiegmann. Allerdings machte sich der Werberat in nur knapp einem Drittel der Fälle die Kritik zu eigen. Mehr als zwei Drittel der angezeigten Kampagnen waren den Angaben zufolge nicht zu beanstanden.
Unternehmen, die sich weigern, die beanstandete Werbung abzustellen, werden öffentlich gerügt. Der Werberat veröffentlicht dann Namen, Sitz der Firma sowie das Motiv der beanstandeten Reklame. So warb etwa die Firma Mester im sauerländischen Brilon, die künstliche Fuchsbaue herstellt, mit einer nackten, rothaarigen, auf einer Betonröhre kriechenden Frau und dem Text: »Jäger stehen drauf, Füchse sowieso.« Der Werberat hat 2010 acht öffentliche Rügen erteilt.
Besonders kleine Unternehmen, die nicht professionell werben, versuchen nach Beobachtung des Werberats, mit sexistischen Motiven auf sich aufmerksam zu machen. Erfolgreich sei dies eher nicht, sagte Wiegmann, da die Empfindlichkeit gegenüber grenzverletzender Werbung in der Gesellschaft zunehme.
Öffentlich gerügt wurde auch die Klosterbrauerei Neuzelle in Brandenburg, die für ihr Bier mit dem Slogan warb: »Ein flüssiger Seelsorger, der so manche Last des Alltag vergessen lässt«. Das widerspricht den Verhaltensregeln der Werbewirtschaft, wonach Alkohol nicht als Problemlöser angepriesen werden darf. Wegen der Verletzung religiöser Gefühle gab es 2010 elf Beschwerden, nur in einem Fall griff der Werberat ein. Der Anteil der Proteste aus religiösen Gründen war in den vergangenen Jahren stets gering. Rückläufig waren 2010 Beschwerden über gewaltverherrlichende Werbung.
Proteste gegen Reklame im Internet nehmen zu. Während 2009 nur 19 Bürgerbeschwerden gegen Internet-Werbung eingingen, waren es im vergangenen Jahr 50. Keine Rolle spielen bisher soziale Netzwerke, obwohl der Werberat auch für diese Medien zuständig ist. Beschwerden können auch online eingereicht werden, die meisten kommen aber nach wie vor telefonisch oder per Post.
Beim Deutschen Werberat kann jeder Bürger Beschwerde einlegen. Das 1972 gegründete Gremium wird vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft getragen, dem 40 Verbände angehören.
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