Kritik an Sarkozys Feldzug wächst
Der französische Präsident wollte mit der Intervention in Libyen innenpolitisch glänzen
Anfangs fand die mediale Argumentation der Rechtsregierung, dass es sich um eine Solidaritätsaktion für die Aufständischen handelte und dass man den Diktator Gaddafi hindern wolle, sein eigenes Volk zu massakrieren, noch breite Zustimmung. Erste Umfragen wiesen aus, dass 66 Prozent der Franzosen hinter dem Feldzug ihres Präsidenten standen. Inzwischen gibt es schon seit Tagen keine Werte mehr. In der Parlamentsdebatte vor einer Woche zum Libyen-Krieg gab es eine seltene Allianz der Unterstützer von der rechten Regierungseinheitspartei UMP über das Zentrum und die Grünen bis zu den Sozialisten. Nur die kommunistischen Abgeordneten erhoben warnend ihre Stimme. Sie verwiesen auf das Beispiel des längst aus dem Ruder gelaufenen Krieges in Afghanistan und forderten, vor einem Militäreinsatz, der nur zu schnell eskalieren kann, erst alle diplomatischen und politischen Mittel und Möglichkeiten auszuschöpfen.
Auch die nicht im Parlament vertretenen Parteien und Organisationen links von den Sozialisten meldeten sich zu Wort und organisierten am Trocadero-Platz gegenüber dem Pariser Eiffelturm die bisher einzige Demonstration gegen den Krieg in Libyen. Sie prangerten den Versuch Sarkozys an, den Aufstand freiheitsliebender Libyer innenpolitisch für sich auszunutzen. Tatsächlich ist der Präsident noch nie so unbeliebt gewesen wie heute, und jüngsten Umfragen zufolge würde er, wenn die Präsidentschaftswahlen morgen und nicht erst im Frühjahr 2012 stattfänden, nicht nur hinter dem sozialistischen Kandidaten, sondern auch hinter der FN-Parteivorsitzenden Marine Le Pen liegen.
Nicht zuletzt aus diesem Grund reagierte Sarkozy schnell auf die ersten Demonstrationen in Libyen und das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte Gaddafis. Damit wollte der Präsident wohl vergessen machen, wie lange er gebraucht hatte, um auf die Aufstände in Tunesien und Ägypten zu reagieren, mit welchem Pomp er noch 2007 Gaddafi in Paris empfangen und wie er ihn hofiert hatte, um den Verkauf von Jagdflugzeugen und Atomkraftwerken einzufädeln. Nachdem die Bemühungen um eine Blockade des libyschen Luftraums im UN-Sicherheitsrat an Russland und China gescheitert waren, riss Sarkozy das Heft des Handelns an sich.
Wohl ohne sich wieder einmal über die geopolitischen Konsequenzen seines Alleingangs im klaren zu sein, vereinbarte er mit London Luftangriffe auf Libyen und teilte dies gleich brühwarm einer Abordnung der libyschen Aufständischen mit. Die berichteten davon noch im Hof des Elysée den Medien und so erfuhr es auch Außenminister Alain Juppé, der gerade in Brüssel weilte und den der Präsident übergangen hatte.
Beinahe hätte dies eine ernste Regierungskrise ausgelöst, die Sarkozy nur abwenden konnte, indem er Juppé versprach, in Sachen Libyen keinen Schritt mehr ohne oder gar gegen seinen Außenminister zu unternehmen. Der engagierte sich daraufhin massiv und organisierte schließlich sogar persönlich in New York die nötige Sicherheitsratsmehrheit für die Resolution 1973. Die darin vorgesehenen militärischen Maßnahmen werden inzwischen umgesetzt, während die politischen – Waffenembargo, Blockierung von Guthaben, Verhandlungen mit Unterstützung der UNO, der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union – auf die lange Bank geschoben werden.
Da sich die meisten Medien schwer tun, kritische Stimmen zu diesem Thema wiederzugeben, wird gegenwärtig umso mehr im Internet diskutiert. Charakteristisch dafür ist, was dort der 45-jährige Lehrer Frédéric M. schreibt: »Wir haben kein Recht, uns in Libyen einzumischen, noch dazu mit massiver Waffengewalt. Schließlich hat Gaddafi uns nicht angegriffen, und ihn zu verjagen, ist Sache der Libyer selbst. Warum diese selektiven Interventionen? Warum in Libyen und nicht in Côte d’Ivoire oder in Bahrain? Hängt das vielleicht doch damit zusammen, dass Libyen eines der ölreichsten Länder ist?«
Inzwischen hat auch der französische Friedensrat die sofortige Beendigung der militärischen Aktionen und Verhandlungen mit Tripolis über eine friedliche Lösung des Konflikts gefordert. Worum es jetzt geht, brachte der ehemalige Vorsitzende der französischen Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen«, Rony Braumann, in einem Rundfunkinterview auf den Punkt: »Sarkozy gibt vor, mit den Luftangriffen die Demokratie und rechtsstaatliche Verhältnisse nach Libyen zu bringen. Doch jeder, der so etwas in anderen Ländern versucht hat, ist damit prompt gescheitert. Die Medizin, die man so verabreichen will, ist letztlich schlimmer als die Krankheit.«
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