Ein Boy weckt Gold-Hoffnungen
Turnen: Letzter Test vier Tage vor den EM in Berlin war »durchwachsen«
Vier Tage vor den am Mittwoch in der Berliner Max-Schmeling-Halle beginnenden Europameisterschaften haben die deutschen Turner in Dessau einen letzten Stresstest absolviert. Dabei lagen Licht und Schatten dicht beieinander: Nach Patzern an drei Geräten sorgte der Cottbuser Philipp Boy mit einer exquisiten Reckübung für das Glanzstück des Tages und nährte damit die deutschen Gold-Hoffnungen für die EM.
Beim Test-Länderkampf bot der 23-Jährige eine Reck-Show, die selbst dem dreifachen Europameister Fabian Hambüchen zur Ehre gereicht hätte. 16,20 Punkte erhielt der EM-Hoffnungsträger für seine Glanzübung. Beim Schwierigkeitsgrad von 7,4 kam er ganz nah an seinen hessischen Rivalen heran, der zu besten Zeiten mit 7,5 im November 2008 den damaligen »Weltrekord« fixiert hatte.
»Nachdem es zuvor nicht so lief, sagte ich mir: Jetzt musst du einen schönen Abschluss zeigen, um mit Selbstbewusstsein in Berlin anzureisen. Gott sei Dank ist mir diese Übung geglückt«, meinte Boy strahlend. »Wenn jetzt aber auch nur ein Funken von Selbstsicherheit aufkommt, wäre das schlecht«, dämpfte Cheftrainer Andreas Hirsch sogleich eine eventuell aufkommende Euphorie.
Zuvor hatte Boy nämlich nicht nur aus seiner Sicht »eher durchwachsen« geturnt. »Zu viele kleine Dinge, die mich ärgern. Aber in Berlin werde ich versuchen, die Mängel abzustellen«, meinte der Vizeweltmeister im Mehrkampf nach seinen Patzern beim Ringe-Abgang, Sprung und am Barren. »Eine verpatzte Stützkehre am Barren ist mir im ganzen Leben noch nicht passiert«, beklagte Boy kopfschüttelnd. Nach dem harten Training der letzten Wochen sei er »echt sackig« gewesen und hätte sich zu viele »blöde Fehler« geleistet. Dass er trotz der Fehlerserie mit 90,15 Zählern immerhin noch über die internationale Qualitätsmarke von 90 Punkten kam und gemeinsam mit dem Briten Kristian Thomas den Sechskampf gewann, konnte ihn nicht trösten. Eher schon seine Reckübung, mit der er nach dem unglücklichen vierten WM-Rang nun endgültig seine Ambitionen auf Edelmetall unterstrich. In Rotterdam hatte Hambüchen als Dritter noch vor Boy gelegen, in Berlin fehlt der insgesamt sechsmalige Europameister aus Wetzlar wegen seiner Achillessehnenoeration.
Nicht ganz zufrieden war auch der deutsche Mehrkampfmeister Marcel Nguyen mit seiner Generalprobe für Berlin. Nach seinem Wadenbeinbruch im September greift der Sportsoldat aus Bayern nun mit reduzierten Programmen wieder ins internationale Geschehen ein. Beim Sprung glänzte er mit der Tageshöchstnote 16,40. An seinem Spezialgeräten Barren und Boden hatte er sich jedoch weit mehr ausgerechnet. »Es gibt noch ein paar Baustellen«, meinte der 23-Jährige selbstkritisch.
Unterschiedlich präsentierten sich die anderen deutschen Turner. Während Robert Weber (Ehmen) an Reck (15,50) und Ringen (15,15) zu überzeugen wusste, verpatzte Brian Gladow seine Reckübung, obwohl er gerade dort Hoffnungen auf den EM-Finaleinzug in seiner Heimatstadt hegt. Sorgen bereitet Cheftrainer Hirsch noch Thomas Taranu (Straubenhardt), den eine Knieverletzung plagt und dessen EM-Start am Boden und Sprung fraglich scheint.
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