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Dresdener Zeitreisen
Fotografischer Zweiklang in der Unibibliothek
Der Zweiklang dieser Dresdener Ausstellung respektive Buchveröffentlichung ist gut gewählt – nicht zuletzt durch den gemeinsamen regionalen Bezug. Ermenegildo Antonio Donadini (1847-1936) war der Zeichenlehrer der sächsischen Königin Carola. Sein Lebenslauf spannt sich zwischen der mediterranen Welt von Spalato und seinem noch erhaltenen Atelier in Dresden-Radebeul. Donadini war Ritter fünf verschiedener Orden sowie Komtur der Malteser. Als »Historien-, Porträt-, Marine-, Landschafts- und Theaterkunstmaler, Restaurator für monumentale Kunstwerke/Architekt, Kostümkundiger aller Zeiten« ist er uns heute nicht weiter bekannt. Anders verhält es sich mit den Lichtbildern, die der Hofrat und Professor anfertigte. Sie sind bemerkenswert, weil sie Dresden noch nicht in der tradierten geschlossenen Schönheit späterer Aufnahmen vorstellen, sondern eine große Baustelle zeigen.
Durch sein vertrauliches Verhältnis zum Könighaus sind uns Innenansichten der Privatgemächer überliefert, darunter ein jenseitig beleuchtetes Bild der persönlichen Messkapelle des fanatisch religiösen Königs Albert. Die Schlossfassaden sind gammlig und von Efeu überwachsen. Vor der Ostfassade des damals gerade fertiggestellten Ausstellungsgebäudes des Sächsischen Kunstvereins liegen kreuz und quer die Werksteine verstreut.
Dresden ist hier noch eine Stadt, in der gelebt und gearbeitet wird, kein getünchtes und geputztes Museum für Pensionärs-Touristen. Heute sieht es am Neumarkt um die Frauenkirche aus, als wären die Kulissenbauer für eine große Hollywood-Produktion tätig gewesen. 1892 rauschte dort die Pferdebahn übers Pflaster.
Ganz andere Formen der Betriebsamkeit hat der 1938 in Böhmen geborene Eugen Nosko ins Bild gesetzt. Auch er gelangte autodidaktisch zur Fotografie, nach einem Beginn als Journalist. Dabei setzte er schließlich neue Maßstäbe in der Industriefotografie. Er entwickelte im Eigenbau die damals weltweit stärkste portable, batteriebetriebene Blitzlichtanlage mit 3 mal 2000 Wattsekunden. Diese Kunstsonne musste von drei Assistenten getragen werden.
Nosko arbeitete während der laufenden Produktion und entwickelte im eigenen Labor. 1985 siedelte er in die Bundesrepublik über, wo er seine Laufbahn als freischaffender Vertragspartner großer Unternehmen fortsetzte. Seit elf Jahren wohnt er wieder in Dresden. Die gigantischen Ausmaße der von Nosko fotografierten Anlagen inspirieren steile Perspektiven. Der Himmel ist immer blau, wird gelegentlich dekorativ von einigen Wolkenfetzen belebt. Jeder kann sich ausmalen, wie das Gebäude der Zinnerzhütte in Altenberg oder die gestapelten Metallbarren im Freiberger Hüttenkombinat bei richtigem Sauwetter aussehen. Die Sonne ist der große Maler dieser farbenprächtigen Lichtbilder ohne Schatten.
Noskos Inszenierungskunst ist ästhetisch, affirmativ und nicht intellektuell, seine Referenzen sind am ehesten noch die Industriefotografien eines Paul Wolff sowie Michelangelo Antonionis bestechend schöne Bilder von der industriellen Ödnis um Ravenna in »Il Deserto Rosso«.
In Noskos inspirierten Aufnahmen wird die Beziehung zwischen Mensch und Moloch zu einem anrührenden Märchen. Die Moderne, die er zwischen 1972 und 1983 dokumentierte, ist inzwischen ein ebenso abgeschlossenes Gebiet wie Ermenegildo Donadinis gründerzeitliches Dresden. Wer die Aufnahmen beider Künstler betrachtet, der unternimmt eine narkotisierende Zeitreise.
»Ermenegildo Antonio Donadini – Fotograf im königlichen Dresden 1881-1914« und »Eugen Nosko – Industriefotografie 1972-1983« in der Galerie am Lesesaal der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden; noch bis zum 5. Juni.
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