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Kritische Aktionäre gegen RWE-Klage
Aktionäre gelten gemeinhin als gierig. Die Dividende, die das Unternehmen ausschütten soll, kann nicht hoch genug sein. In den 90er Jahren unterwarfen deshalb viele Konzernvorstände ihre Unternehmen dem Diktat des Shareholder Value mit dem Ziel, den Unternehmenswert durch Gewinnmaximierung und Erhöhung der Eigenkapitalquote zu steigern. Wird RWE-Chef Jürgen Großmann von diesem Motiv getrieben, wenn er sich gegen das Atom-Moratorium der Bundesregierung zur Wehr setzt? Immerhin entgehen RWE allein durch die vorläufige Abschaltung des AKW Biblis A 700 000 bis eine Million Euro täglich an Gewinn. Muss Großmann da nicht aus aktienrechtlichen Gründen – zum Wohle der Aktionäre – Klage einreichen und Schadenersatz fordern?
Der Energiekonzern E.on hat sich anders als RWE entschieden und klagt nicht gegen das Moratorium. Bei Deutschlands Energieriese Nr. 1 setzt man nicht auf eine juristische, sondern auf eine politische Klärung der Atomfrage. Sicher nicht deshalb, weil man dort an Gewinnmaximierung nicht interessiert ist, sondern weil E.on-Chef Johannes Teyssen es für taktisch klüger hält, das Tischtuch zwischen Wirtschaft und Politik nicht zu zerschneiden.
Bei den unterschiedlichen Konzernentscheidungen sollte beachtet werden, dass die Bundesregierung es versäumt hat, das Atom-Moratorium auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Mit einem wasserdichten Gesetz hätte sie Klagen à la RWE von vornherein einen Riegel vorschieben können. Aber vielleicht gab es ja Kräfte, die dies verhindern wollten.
Sind Aktionäre wirklich so gierig und vor allem an kurzfristigem Gewinn interessiert? Wir vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre machen seit 25 Jahren andere Erfahrungen. Aktionäre, die uns ihr Stimmrecht übertragen, wünschen sich für ihre Kapitalanlage zwar auch eine Dividende. Aber sie verlangen eine Geschäftspolitik, die sich an ethischen Richtlinien orientiert.
Ist der Betrieb von Atomkraftwerken ethisch verantwortbar? Dazu hat der Dachverband seit seiner Gründung eine eindeutige Position: Nein. Zu groß sind die Risiken dieser Technologie, zu viele Unfälle und Störfälle hat es gegeben. Selbst wenn diese Risiken nicht existent wären, gäbe es noch immer keine Lösung für die sichere Endlagerung von Atommüll.
Vielen Politikern und Wirtschaftsvertretern reichte die Atomkatastrophe von Tschernobyl nicht. Sie beruhigten uns immer mit dem Spruch: »Unsere Kernkraftwerke sind sicher.« Die Atom-Katastrophe von Fukushima hat jetzt auch zu Rissen in der Autosuggestion der nuklearen Betonköpfe geführt. In Japan hat sich gezeigt, dass die Risiken falsch eingeschätzt wurden. Trotzdem weigert sich ein Herr Großmann immer noch, getreu dem eigenen Firmenslogan voRWEg zu gehen – nämlich auf dem Weg der atomkraftfreien Energieerzeugung.
Viele RWE-Aktionäre haben das erkannt und werden auf der Hauptversammlung am 20. April in Essen dem uneinsichtigen RWE-Boss die rote Karte zeigen. Sie wissen, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehört und dass sich damit auch Geld verdienen lässt. Aber dazu müsste RWE seine bisher viel zu geringen Investitionen in diesem Bereich hochfahren und aus der Atomkraft aussteigen. Da der jetzige RWE-Vorstand nicht dazu bereit ist, beantragt der Dachverband bei der Hauptversammlung, ihn nicht zu entlasten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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