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Kurswechsel um 180 Grad nötig
Einen klaren Kurs oder ein einigermaßen stimmiges Konzept kann ich in der Wohnungs- und Mietenpolitik der Bundesregierung beim besten Willen nicht erkennen. Im Gegenteil, wenn überhaupt von einem roten Faden in der Politik der schwarz-gelben Koalition in den letzten anderthalb Jahren die Rede sein kann, dann heißt der »Kürzen, Sparen, Streichen«. Dabei spielt keine Rolle, ob es um Umwelt, Energie und Modernisierungen geht oder um Städtebau, Programme wie die Soziale Stadt oder um Wohngeld. Bewährte Politikansätze, Instrumente und Programme sowie Mieterrechte werden aufgegeben oder in Frage gestellt. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. In der Wohnungs- und Mietenpolitik ist ein Kurswechsel um 180 Grad notwendig.
Beispiel Wohngeld: Zum 1. Januar 2011 hat die Bundesregierung das Wohngeld gekürzt. Die so genannte Heizkostenkomponente – erst zum 1. Januar 2009 eingeführt – wurde wieder gestrichen. Die betroffenen Mieterhaushalte bekommen 10 bis 20 Euro weniger Wohngeld im Monat als bisher. Betroffen sind die einkommensschwächsten Haushalte im Land, vor allem Rentner und Pensionäre. Deshalb ist die Kürzung sozial ungerecht und außerdem noch falsch begründet. Das Argument, die Heizkosten seien gesunken, die Heizkostenkomponente sei daher überflüssig, ist falsch. Heute liegen die Energiepreise auf dem Niveau des Sommers 2008, als die Heizkostenkomponente eingeführt wurde. Statt Kürzungen brauchen wir ein verstetigtes Wohngeld, regelmäßige Anpassungen und ein Wohngeld, das Wohnkostensteigerungen bei den Betriebskosten oder für eine modernisierte Wohnung berücksichtigt.
Beispiel Städtebauförderung und Soziale Stadt: Diese Programme werden einfach kaputtgespart. In diesem Jahr sanken die Fördermittel von 610 auf 455 Millionen Euro. Und 2012 sind nur noch 266 Millionen Euro eingeplant. Mit diesen Kürzungen werden bewährte Instrumente zur Sicherung bezahlbaren Wohnens, zur sozialen Stadtentwicklung und zum Erhalt sozialer Durchmischung von Wohngebieten praktisch abgeschafft. Ein Euro Städtebauförderung löst mindestens acht Euro Folgeinvestitionen aus. Ein effizienter Arbeitsplätze schaffendes Investitionsprogramm ist kaum vorstellbar.
Beispiel energetische Modernisierung: Zwar formuliert die Bundesregierung ehrgeizige Ziele für die energetische Modernisierung des Gebäudebestandes. Wie sie erreicht werden sollen, sagt sie aber nicht. Die energetische Modernisierung bis hin zum nahezu klimaneutralen Gebäudebestand kann weder über eingesparte Heizkosten noch über Mieterhöhungen finanziert werden. Es bedarf umfassender öffentlicher Förderung. Die hat die Regierung aber gerade auf Null gesetzt. Im Haushalt 2012 sind keine Finanzmittel mehr für die CO2-Gebäudesanierung angesetzt. 2009 waren es noch 2,2 Milliarden Euro. Notwendig sind jährlich fünf Milliarden Euro. Da sind wir uns mit Verbraucherverbänden, Wohnungswirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaftlern einig.
Beispiel Mietrecht: Das Mietrecht ist kein Investitionshemmnis für energetische Modernisierungen, und vereinzelte Mietnomaden, das heißt Betrüger, sind kein Grund, das Mietrecht für 50 Millionen Mieter zu ändern. Statt Scheinproblemen nachzujagen, sollte sich die Bundesregierung besser um den Mietenanstieg bei Neuvermietungen kümmern oder um Vermieter, die die Wohnungsbestände verkommen lassen.
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