Mensch und Ikone
Hennecke-Biografie
Der Volksmund in der DDR wusste, warum es nicht Eberhard Köllner vergönnt war, in den Kosmos zu fliegen. Die Schlagzeilen hätten nämlich dann gelautet: »Erster Deutscher im All – ein Köllner.« Sigmund Jähn stellte indes jüngst bei der Leibniz-Sozietät klar: »Das letzte Wort bei der Auswahl der Kosmonauten aus den befreundeten sozialistischen Ländern hatte die Sowjetführung.« Die dürften Überlegungen, die man der SED-Führung unterstellen könnte, nicht tangiert haben.
Vom Kosmos unter Tage: Die Wismut-Kumpel glaubten zu wissen, warum nicht einer der Ihren zur Ikone der Aktivistenbewegung in der DDR werden durfte: Nicht weil ihr Betrieb eine Sowjetische Aktiengesellschaft war und Uran förderte, sondern weil der dafür prädestinierte Bergmann Josef »Sepp« Wenig hieß. Die Losung »Weniger-Bewegung« wäre kontraproduktiv gewesen.
In der Tat war Adolf Hennecke (Foto: Archiv) nicht der erste Aktivist in der sowjetischen Besatzungszone, korrigierte dessen Tochter immer wieder kolportierten Irrtum. Hannelore Graff-Hennecke stellte in Berlin eine von ihr zusammen mit Helma Nehrlich verfasste Biografie ihres Vaters vor. Man mag es kaum glauben, aber es ist die erste Biografie des Mannes, der in der DDR eine Ikone war wie Täve Schur oder Sigmund Jähn. Dies jedenfalls meint der Verleger (und Pastorensohn) Frank Schumann, der die Etikettierung »Ikone« verteidigte, während der Historiker Gerhard Fischer (CDU-Mitglied der ersten Stunde) »Ikone« als ein von der orthodoxen Kirche belegtes Wort abwies.
Hannelore Graff-Hennecke fühlte sich verpflichtet, den manchem Leser vielleicht anmaßend erscheinenden Buchtitel zu rechtfertigen. »Ich bin Bergmann! Wer ist mehr?« war nicht nur ein geflügeltes, vom Stolz der Kumpel kündendes Wort, sondern von ihrem Vater 1951 für eine Ehrenurkunde vorgeschlagen, jedoch abgelehnt worden.
Den Auftakt der Buchvorstellung bildeten Filmausschnitte, die zeigten, wie es nach Henneckes Rekordschicht am 13. Oktober 1948 mit sagenhafter 387-prozentiger Normerfüllung im Oelsnitzer Steinkohlebergbau weiterging. Als Held umjubelt, wurde ihm alsbald nachgeeifert. Hannelore Graff-Hennecke, die bei der Lesung von Enkel Lucas bravourös unterstützt wurde, verschwieg nicht die Anfeindungen, die ihr Vater als »Normbrecher« anfangs von Kollegen und Gewerkschaftern erfahren hatte. Sie brachte aber auch ihr Unverständnis über Nach-Wende-Diffamierungen zum Ausdruck. Im Buch gibt es ein eindrucksvolles, nachdenkliches Kapitel über Helden gestern und heute.
Hannelore Graff-Hennecke: Ich bin Bergmann, wer ist mehr? Das Leben des Adolf Hennecke. Edition Ost. 223 S., geb., 19,95 €.
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