»Ottawa« mit Leben erfüllt
Trotz Fortschritten bleibt bei Beseitigung von Landminen noch viel zu tun
Im malerischen Städtchen Šibenik an der kroatischen Adriaküste geht es auf einer heute beginnenden Konferenz um einen gefährlichen, ja lebensgefährlichen Job – die Entminung von Gebieten, die während vergangener Kriege und Konflikte mit tödlichen Sprengkörpern verseucht wurden. »Humanitäre Minenräumung« heißt das Symposium, auf dem Experten über Erfahrungen, neue Erkenntnisse und kommende Aufgaben bei der Umsetzung der Ottawa-Konvention zum Verbot von Anti-Personenminen beraten.
Kroatien zählt wie Bosnien und Herzegowina zu jenen Ländern, in deren Boden die meisten Minen liegen. Schätzungen zufolge waren nach Ende der Balkankriege etwa zwei Millionen Minen im früheren Jugoslawien verstreut.
Minenräumung ist ein hochgefährliches Unternehmen, denn mit ihren Suchnadeln und Metalldetektoren arbeiten die Räumer in unmittelbarer Nähe der Explosionskörper. Bevor sie beginnen, muss oft erst geklärt werden, wo genau sich die Minen befinden, denn nur selten gibt es Karten oder präzise Lageskizzen. Dann ist zu entscheiden, ob die Minenfelder allein von Menschen oder mit Hilfe von Maschinen geräumt werden. Mechanische Minenräumgeräte bestehen gewöhnlich aus einem gepanzerten Bulldozer, bei dem das Planierschild gegen eine Frästrommel oder eine rotierende Welle mit Schleuderketten ausgetauscht wurde. Aber solche Maschinen oder selbst Minenräumpanzer können nicht auf jedem Gelände arbeiten. Zuweilen werden Hunde eingesetzt. Sie wittern den Sprengstoff und können so abgerichtet werden, dass sie ihn anzeigen, ohne sich selbst oder den Hundeführer zu gefährden.
Seit die Ottawa-Konvention am 1. März 1999 in Kraft trat, wurden beindruckende Erfolge erreicht. 156 Staaten sind ihr bisher beigetreten, die Zahl der Minenproduzenten ist deutlich zurückgegangen, der Minenhandel praktisch eingestellt und auch Nichtmitgliedsstaaten wie China, Indien, Pakistan, Russland und die USA scheuen davor zurück, die heimtückischen Todesbringer einzusetzen. 86 Staaten haben ihre Lagerbestände aufgelöst und insgesamt mehr als 45 Millionen gelagerter Anti-Personenminen vernichtet.
Wie der jährlich erscheinende »Landmine Monitor« in seiner jüngsten Ausgabe konstatiert, wurden gerade im vergangenen Jahr rekordverdächtige Fortschritte bei der Umsetzung des Ottawa-Übereinkommens erzielt. Die Herstellung und der Einsatz der Waffen sowie die Zahl der Opfer erreichten den niedrigsten Stand seit Aufzeichnung dieser Daten. Nur drei Staaten – Indien, Myanmar, und Pakistan – produzieren noch Minen. In keinem Jahr zuvor wurde so viel kontaminierte Fläche geräumt – ein Gebiet, das fünf Mal so groß ist wie Paris. Der meisten Minen wurden in Afghanistan, Kambodscha, Kroatien, Irak und Sri Lanka geräumt. Albanien, China, Griechenland, Nicaragua, Ruanda, Tunesien und Sambia gaben den Abschluss ihrer Räumungsaktivitäten bekannt. Die internationale Finanzierung blieb trotz der Krise stabil. 449 Millionen Dollar wurden weltweit im vergangenen Jahr zur Verfügung gestellt.
Dennoch bleibt noch viel zur vollständigen Realisierung des Abkommens zu tun. Gerade bei der fristgerechten Entminung gibt es Verzug. So haben 22 Vertragsstaaten Fristverlängerungen bekommen oder beantragt. Zu viele machen trotzdem nur schleppende Fortschritte. Venezuela beispielsweise hat nach über 10-jähriger Mitgliedschaft mit der Minenräumung noch nicht einmal begonnen. Noch immer sind Menschen in über 70 Ländern von rund 100 Millionen dieser Waffen bedroht. Allein 2010 kamen nach offiziellen Schätzungen etwa 4000 Menschen durch Minenexplosionen zu Schaden, wahrscheinlich ist die Dunkelziffer weitaus höher.
Am Zustandekommen und der Umsetzung des Minenverbots haben Nichtregierungsorganisationen einen hervorragenden Anteil. Die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen erhielt für ihr Engagement 1997 den Friedensnobelpreis. In Deutschland hat das Aktionsbündnis Landmine.de – ein Zusammenschluss von 17 entwicklungspolitischen Organisationen – über viele Jahre hinweg in der Kampagne mitgewirkt und den Verbotsprozess als treibende und kritische Kraft vorangebracht. Nachdem wesentliche Ziele erreicht wurden, hat sich das Aktionsbündnis Ende 2010 aufgelöst.
Die Friedensaktivisten können stolz sein. Sie blicken auf die 20-jährige Geschichte einer Kampagne zurück, die zu den erfolgreichsten Bürgerinitiativen überhaupt gehört: Kaum ein anderes Waffensystem wurde so gebrandmarkt wie Minen und minenähnliche Waffen. Die Auflösung, so versichern die Minengegner, bedeutet nicht das Ende ihres Engagements. Auch künftig werden einige Mitgliedsorganisationen die politische Arbeit fortsetzen und Projekte zur Minenräumung und zur Opferrehabilitation unterstützen. Sie werden weiter darüber wachen, dass das Abkommen wie auch das Verbot von Streumunition eingehalten werden, wichtige Vertragsstaaten dazukommen und alle Regierungen ihren Verpflichtungen bei der Unterstützung der Opfer und der Minenbeseitigung durch Bereitstellung finanzieller Mittel nachkommen. Und sie wollen insbesondere die deutsche Politik in diesem Sinne weiter kritisch begleiten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.