Werbung

Alte Zöpfe und Mutlosigkeit

In Baden-Württemberg greift die Opposition die grün-roten Regierungspläne an

  • Barbara Martin, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Planwirtschaft und Versorgungsmentalität hat Peter Hauk im Koalitionsvertrag der künftigen grün-roten Landesregierung von Baden-Württemberg ausgemacht. So wie der Chef der CDU-Landtagsfraktion reagierte auch die FDP im Südwesten in scharfem Ton auf die Pläne von Grünen und SPD.

Der liberale Europaabgeordnete Michael Theurer war der erste, der sich nach der Vorstellung des grün-roten Koalitionsvertrages zu Wort meldete. Der Vize-Landesvorsitzende der baden-württembergischen FDP warnte vor »undurchdachten Maßnahmen«. Die Errungenschaften des Landes »dürfen nicht durch Profilierungsentscheidungen gefährdet werden«. Theurer will neuer Parteichef in Baden-Württemberg werden, tritt also gegen Birgit Homburger an. Die Partei-Chefin erkennt in der Ankündigung von Grün-Rot, den Haushalt bis 2020 zu konsolidieren, eine »mutlose Haushaltspolitik« und fordert, bereits bis 2014 zur Nullverschuldung zu kommen.

Einen gründlichen Rundumschlag nimmt Peter Hauk vor. Der künftige Oppositionsführer – die CDU hat 60 Abgeordnete im Landtag – droht mit einer Klage gegen den Volksentscheid über Stuttgart 21, denn der sei »nach Expertenmeinung klar gegen die Verfassung«. Die von Grün-Rot angekündigte Energiewende ist für Hauk »ein laues Lüftchen«. Er vermisst klare Pläne zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Forderung des designierten Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, ergebnisoffen nach einem Atommüll-Endlager zu suchen, sei ein »Nebenkriegsschauplatz«, der die Menschen verunsichere.

Weil Kretschmann vor einigen Tagen befand, es wäre gut, weniger Autos zu bauen, erkennt der Christdemokrat bei der künftigen Landesregierung den Willen zur »Planwirtschaft«. Insgesamt, befindet Hauk, sei »der angekündigte neue Politikstil in Wahrheit ein alter Zopf ideologischer Ideen und gehorcht dem Diktat grün-roter Versorgungsmentalität«. Die Debatten im nächsten Landtag scheinen lebhaft zu werden.

Doch nicht nur von rechts, auch von links kommt Kritik. Michael Schlecht, baden-württembergischer Bundestagsabgeordneter der LINKEN, sieht gebrochene Wahlversprechen, weil es keine gebührenfreien Kindergärten geben wird. Das hatte die SPD im Wahlkampf angekündigt, konnte sich in den Koalitionsverhandlungen damit aber nicht gegen die Grünen durchsetzen, denen das zu teuer ist. Für Schlecht der Beleg dafür, dass SPD und Grüne sich unnötig »unter das Diktat der Haushaltskonsolidierung und der Schuldenbremse stellen«.

Anerkennung für die neue Landesregierung kam hingegen vom Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske. Der »Passauer Neuen Presse« sagte er, die neue Koalition könne ein Probelauf für andere Bundesländer und für den Bund sein. Das Grünen-Mitglied sieht in dem baden-württembergischen Wahlergebnis die Quittung »für die Politik krasser sozialer Einseitigkeit von Union und FDP«. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International begrüßte die im Koalitionsvertrag vereinbarte Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes.

Grüne und SPD sind unterdessen auf der Suche nach Ministerinnen und Ministern. Offiziell will man die Namen Mitte nächster Woche bekannt geben, doch bereits am Donnerstag standen bei der SPD neben Spitzenmann Nils Schmid als Superminister für Wirtschaft und Finanzen weitere Namen fest. So erklärte SPD-Sozialexpertin Katrin Altpeter am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, sie habe am Mittwoch mit SPD-Landeschef Schmid vereinbart, dass sie das Arbeitsministerium definitiv übernehmen werde. Die Mannheimer Schulbürgermeisterin Gabriele Warminski-Leitheißer soll Kultusministerin werden.

Bei den Grünen gilt der Tübinger Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Verkehrsausschusses Winfried Hermann als Favorit für das Verkehrsministerium, zu dem auch Stuttgart 21 gehört. Die Landesvorsitzende Silke Krebs wird als Staatsministerin gehandelt und wäre damit die rechte Hand von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -