Keine Ruhe in Kurdistan

Etablierte Parteien in Nordirak sehen ihr Machtmonopol in Gefahr

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Medien der ganzen Welt berichten über die Konflikte in Libyen und Syrien. Weitgehend aus dem Blickfeld entschwunden ist dagegen der Schauplatz Irak. Aber auch dort gehen die Proteste gegen die Regierung weiter.

Mit einem 37 Milliarden Dollar schweren Programm will Regierungschef Nouri al-Maliki nun die Protestbewegung beruhigen, die weiterhin jeden Freitag auf zentralen Plätzen der irakischen Hauptstadt und landesweit auf die Straßen geht. Mit dem Geld soll die heruntergekommene Infrastruktur des Landes wieder aufgebaut werden, hieß es am Dienstag in Bagdad. Acht Jahre nach der US-Invasion 2003 mangelt es weiter an Arbeit, Wohnungen, Strom und Wasser, zuverlässige Gesundheitsversorgung ist ebenso Mangelware, wie ordentliche Schulen und gut ausgestattete Universitäten.

Etwas besser sieht es zwar in den drei kurdischen Provinzen im Norden Iraks aus, wo die autonome Regionalregierung unter dem kurdischen Präsidenten Masud Barzani vor allem ausländischen Unternehmen freies Wirtschaften und große Gewinne verspricht. Die beiden großen Regionalparteien – Kurdische Demokratische Partei und Patriotische Union Kurdistans (PUK) – haben die Macht seit Jahrzehnten unter sich aufgeteilt. Aus Protest gegen Korruption und Vetternwirtschaft gehen seit Wochen vor allem junge Leute auf die Straßen von Erbil und Sulaimaniya, wo die Proteste Mitte des Monats über mehrere Tage anhielten und gewaltsam niedergeschlagen wurden.

Auch in der Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion Erbil waren Proteste blutig beendet worden. Der Abgeordnete im kurdischen Regionalparlament Mohammed Kiyani erklärte dazu gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, er habe gesehen, wie die Sicherheitskräfte auf am Boden liegenden Demonstranten, vorwiegend Studierende, eingeschlagen hätten. Als er eingreifen wollte, sei er selber geschlagen und vorübergehend festgenommen worden.

Erneut wurden Medien kurdischer Oppositionsparteien von »unbekannten bewaffneten Männern« angegriffen, berichtete der irakische Sender Al Sumaria TV. Kurzzeitig unterbrochen wurde die Übertragung des Fernsehsenders KNN, der von der oppositionellen Goran-Bewegung betrieben wird. Bereits im Februar war der unabhängige Nachrichtensender NRT in Brand gesetzt worden.

Anwohner Sulaimaniyas berichten derweil, dass seit dem 20. April eine erhöhte Truppenpräsenz in der Stadt festzustellen sei, darunter offenbar auch Soldaten der Zentralregierung, denen bisher der Zutritt zu den kurdischen Autonomiegebieten untersagt war. Der kurdische Ministerpräsident Barham Salih (PUK) erläuterte diese Woche das Reformprogramm der Autonomieregierung. Jeder Einwohner habe danach in den kurdischen Gebieten das Recht zu demonstrieren und seine Meinung frei zu äußern. Die Gesellschaft verändere sich, und »die politischen Parteien müssen sich auch verändern«. Der Aufklärungswille der Regierung hält sich aber in engen Grenzen. Gerade erst verwehrte Parlamentspräsident Kamal Kirkuki es Abgeordneten von Goran, den Innenminister zu den regierungskritischen Demonstrationen zu befragen. Darauf kam es im Parlament zu Handgreiflichkeiten. Deren Höhepunkt: Der Goran-Abgeordnete Buschro Taufik bewarf Kirkuki mit Wasserflaschen.

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