Volksbegehren gegen Privatisierungen
Hamburg soll vor Verkäufen Bürger fragen
Seit Dienstag sammeln in Hamburg rund 500 Aktivisten Unterschriften für das Volksbegehren »Keine Privatisierung gegen den Bürgerwillen«. Bis zum 23. Mai will das Bündnis die Zustimmung von erforderlichen 62 000 Wahlberechtigten gewinnen. Die Bürgerschaft hat dann die Möglichkeit, dem Begehren zuzustimmen. Lehnt sie dies ab, kann parallel zur Bundestagswahl 2013 ein Volksentscheid folgen.
Das Bündnis, zu dem auch der DGB Hamburg, die IG Metall, die Gewerkschaft der Polizei, die LINKE und Attac gehören, will mit seiner Initiative den seit 1988 begonnen Ausverkauf öffentlicher Betriebe stoppen. »Infrastruktur ist für alle da«, argumentiert Ludolf Schnittger von der Initiative. »Sie darf nicht den Interessen einzelner Unternehmen dienen und gehört nicht in private Hand.« Durch die Privatisierung der Krankenhäuser habe sich die gesundheitliche Versorgung verschlechtert und sich die soziale Schieflage verschärft.
Besonders der Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser an den privaten Asklepios-Konzern 2005 hatte in der Hansestadt zu Protesten geführt. Denn der damalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatte die Privatisierung durchgesetzt, obwohl in einem Volksentscheid eine große Mehrheit der Wähler für den Verbleib der Kliniken im städtischen Eigentum votiert hatte. In der Folge verließen die Mitarbeiter scharenweise die Krankenhäuser und ließen sich einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst zuweisen. Der Senat wollte damals sogar noch die Wasserwerke verkaufen, konnte aber durch lautstarke Proteste von seinen Plänen abgebracht werden.
Seit 1988 haben SPD- und auch CDU-Regierungen stadteigene Unternehmen im Wert von insgesamt sechs Milliarden Euro veräußert. Die Einnahmen wurden fast ausschließlich zur Deckung des laufenden Haushaltes verwendet. SPD-Bürgermeister Henning Voscherau begann mit dem Verkauf der Hamburger Gaswerke, die heute Eon gehören und in den vergangenen Jahren durch kräftige Gaspreiserhöhungen viele Verbraucher gegen sich aufgebrachten. Der schrittweise Verkauf der Hamburgischen Electricitätswerke seit 1997 hat den Hamburger Strommarkt in die Abhängigkeit vom schwedischen Konzern Vattenfall geführt, der auch den berüchtigten Pannenreaktor Krümmel betreibt.
Inzwischen haben in Hamburg alle Parteien von ihrer einstigen Privatisierungseuphorie Abstand genommen. Im aktuellen Regierungsprogramm der SPD heißt es: »Privatisierungen lösen keine strukturellen Haushaltsprobleme. Sie verschaffen kurzfristig Luft, auf Dauer führen sie aber zu höheren Ausgaben und verschlechtern die Möglichkeiten der Stadt, die Daseinsvorsorge ihrer Bürger vernünftig zu gestalten.« Selbst die CDU bekennt, »dass die grundlegenden Bereiche wie die Wasserversorgung und das städtische Wohnungsbauunternehmen SAGA/GWG in Hamburger Hand bleiben«. Die LINKE fordert eine Rückführung der Kliniken und der ehemals städtischen Pflegeeinrichtungen in öffentliches Eigentum.
Mit einem weiteren Volksbegehren, für das im Juni Unterschriften gesammelt werden sollen, soll der Rückkauf der Hamburger Energienetze erreicht werden. Die jetzt regierende SPD hat im Wahlkampf Anfang dieses Jahres versprochen, wieder eine Sperrminorität von 25,1 Prozent an den Energienetzen erwerben zu wollen. Genaue Pläne für eine Umsetzung sind derzeit noch nicht bekannt.
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