Absoluter Trugschluss

Ver.di-Vize Frank Werneke über die Tarifrunde bei Tageszeitungen

  • Lesedauer: 3 Min.
Frank Werneke, Vizevorsitzender von ver.di, ist auch Leiter des Bundesfachbereichs Medien. Er führt die Verhandlungen für rund 14 000 RedakteurInnen an Tageszeitungen, die heute fortgesetzt werden. Mit ihm sprach Jörg Meyer.

ND: Heute geht in Dortmund die Tarifrunde für RedakteurInnen bei Tageszeitungen weiter. Den letzten Termin hatten die Verleger nach gewerkschaftlichem Protest platzen lassen. Wie geht es weiter?
Werneke: Wir warten in erster Linie ab, wie die Verleger sich einlassen. Aus unserer Sicht gibt es keine neuen Tatsachen, die zu einer veränderten Verhandlungsposition führen. Es bleibt dabei: Beide Komponenten der Verlegerforderung – die Streichung des Urlaubsgeldes für die jetzt Beschäftigten und für alle neuen Arbeitsverträge ein »Tarifwerk 2« – sind für uns nicht verhandelbar.

»Tarifwerk 2«?
Die Verleger wollen, dass es zwei Tarifverträge gibt: Es gibt einen Stichtag, wer danach eingestellt wird, für den gilt der »Tarifvertrag 2«. Dieser beinhaltet Verschlechterungen beispielsweise beim Gehalt und dem Urlaubstageanspruch – Einbußen von insgesamt 20 bis 25 Prozent. Die Verleger suggerieren, damit seien die Altbeschäftigten gesichert, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Bei jedem vom Arbeitgeber erzwungenen neuen Arbeitsverhältnis, beispielsweise bei Ausgliederungen, könnte schnell aus einem »Altbeschäftigten« ein »Neubeschäftigter« werden.

Was fordern die Gewerkschaften?
Wir fordern eine Fortführung des Manteltarifvertrages, der nur von den Verlegern gekündigt wurde. Der Gehaltstarifvertrag ist seit Juni 2010 in der Nachwirkung. Es gilt also der alte Vertrag bis ein neuer abgeschlossen wird. Der Manteltarifvertrag ist seit Anfang 2011 in der Nachwirkung. Außerdem haben wir eine gemeinsame Gehaltsforderung von vier Prozent.

Dem Printmarkt insgesamt und speziell den Tageszeitungen geht es alles andere als gut …
Die Verleger wollen ein niedrigeres Gehaltsgefüge in Redaktionen einziehen, weil sie fälschlicherweise davon ausgehen, dass sie perspektivisch auch RedakteurInnen zu schlechteren Bedingungen beschäftigen können. Fälschlicherweise, weil wir schon jetzt erleben, dass es nicht einfach ist, gute Leute für die Redaktionen zu finden.

Es ist unstrittig, dass Auflage und Anzeigenvolumen zurückgegangen sind. Aber die Tageszeitungen haben in den letzten zehn Jahren in enormem Umfang Kosten reduziert. Ein typischer Zeitungsverlag, von Redaktion bis Druckerei, hat im Schnitt 50 Prozent an Beschäftigung abgebaut, am stärksten in den Nicht-Redaktionsbereichen. Nach den uns vorliegenden Zahlen wurden die Umsatzverluste durch Personalabbau deutlich überkompensiert. Zudem sind die Kiosk- und Abopreise stark gestiegen. Es ist sicherlich nicht mehr so, dass das Herausgeben einer Zeitung eine Lizenz zum Gelddrucken ist, wie es noch in den 70er bis 90er Jahren war. Trotzdem schreiben die Zeitungsverlage schwarze Zahlen. Es gibt keine wirtschaftliche Not, die Tarifabsenkungen rechtfertigt.

Wäre es da nicht besser, gar keinen neuen Vertrag abzuschließen?
Es gibt in der Tat keinen vernünftigen Grund, einen abgesenkten Manteltarifvertrag abzuschließen. Mittelfristig würden die Verleger aber Schritt für Schritt das erreichen, was sie jetzt fordern. Die Nachwirkung bringt ja nur für diejenigen etwas, die zum Zeitpunkt der Vertragskündigung Gewerkschaftsmitglieder waren. Neue Verträge könnten ohne Tarifschutz frei ausgehandelt werden. Aber ich bin optimistisch, dass sich die Dinge zu unseren Gunsten entwickeln werden. Wir hatten bereits einige Warnstreiks mit beeindruckender Beteiligung, weitere Aktionen sind geplant.

Wie hängt die Tarifrunde RedakteurInnen mit den Verhandlungen für die Druckindustrie zusammen?
Seit 1. Mai ist in der Druckindustrie und in vielen Bundesländern bei den Verlagsangestellten die Friedenspflicht vorbei. Damit haben wir mehr Möglichkeiten. Die enge Verbindung zwischen den Tarifrunden erkennt man daran, dass in den Verhandlungskommissionen für die Redakteure und die Druckindustrie zum Teil die gleichen Arbeitgebervertreter sitzen.

Was hieße es langfristig, wenn die Verleger mit ihren Forderungen durchkommen?
Es wäre eine Abwertung des journalistischen Berufsbildes. Deshalb sind die KollegInnen auch so betroffen. Für die Zukunftsperspektive von Zeitungen – gedruckt oder im Netz – ist der Qualitätsjournalismus der alles entscheidende Schlüssel. Wenn die Verleger glauben, mit zusammengestückelten Agenturmeldungen noch guten Journalismus machen zu können, ist das ein absoluter Trugschluss.

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