Kriegstreiber mit Krawatte

In Deutschland lebende ruandische Milizenchefs vor Gericht

  • Judith Kubitscheck, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei Männer sind angeklagt, als Anführer der Hutu-Miliz FDLR von Deutschland aus Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Kongo befehligt zu haben. Beide lebten über Jahre unauffällig in Deutschland.

Sie galten als nette Nachbarn. Zwei Männer aus Ruanda, die in Mannheim und Neuffen bei Stuttgart lebten, zur Kirche gingen und sich um ihre Kinder kümmerten. Doch in ihrem Auftrag soll die Hutu-Miliz FDLR 2008 und 2009 im Kongo mehr als 200 Menschen massakriert, Frauen vergewaltigt und Kinder in den Kriegsdienst gezwungen haben. Ab Mittwoch müssen sich die beiden Anführer wegen 26 Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie 39 Kriegsverbrechen vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verantworten.

Ein schlichtes Mehrfamilienhaus nahe dem Mannheimer Bahnhof: Dort, in der Galileistraße, wohnte FDLR-Chef Ignace Murwanashyaka bis zu seiner Verhaftung im November 2009. Kaum vorstellbar, dass er von seinem Zimmer aus per Laptop und Handy mit seinen Generälen in 6000 Kilometer entfernten Wäldern in Afrika kommunizierte. Nach einem UNO-Bericht soll er befohlen haben, eine »humanitäre Katastrophe« unter der Zivilbevölkerung anzurichten.

Seine Mannheimer Nachbarn erlebten den promovierten Volkswirt dagegen nicht als brutalen Kriegsherrn. Im Treppenhaus grüßte er freundlich. Und er ging regelmäßig zur Messe in die katholische St. Peter-Kirche, wie sich Priester Klaus Zedtwitz erinnert. Der Ruander habe sympathisch gewirkt und mehrmals eine alte Dame im Rollstuhl zum Gottesdienst geschoben, sagte er. Auch Markus Frenzel vom Mitteldeutschen Rundfunk, der Murwanashyaka Ende 2008 interviewte, berichtet, dass dieser höflich und angenehm im Umgang war – bis man ihn auf die Tutsi-Minderheit in Ruanda ansprach. »Die Tutsi sind unsere Erzfeinde«, habe er mit lauter und hasserfüllter Stimme gesagt. Die FDLR (»Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas«) war von Hutu-Extremisten gegründet worden, die nach dem Völkermord an den Tutsi 1994 in den Kongo geflohen waren.

Auch der Vizechef der FDLR, Straton Musoni, lebt seit rund zwei Jahrzehnten in Deutschland. Obwohl er schon seit 2005 mit Reise- und Finanzsanktionen des UN-Sicherheitsrates belegt worden war und wegen kriegerischer Aktivitäten auf der Terrorliste der USA stand, wohnte er im schwäbischen Neuffen (Landkreis Nürtingen) zusammen mit seiner deutschen Frau und seinen Kindern unbehelligt in einem weiß verputzten Reihenhaus mit braunen Fensterläden.

Besonders pikant: Der stellvertretende Milizenführer ging von 2005 bis 2008 im baden-württembergischen Justizministerium ein und aus. Als Computerspezialist einer externen Fima betreute er die EDV-Anlage des Hauses. »Musoni war sicherheitsüberprüft durch das Innenministerium, das eine Unbedenklichkeitsbescheiningung ausgestellt hat«, sagt Nils Neppen, Pressesprecher des Justizministeriums. Als sich durch Medienberichte der Verdacht verstärktet, dass Musoni ein Kriegsverbrecher sein könnte, habe er sofort Hausverbot erhalten.

Ragini Wahl, Beauftragte für Flüchtlingsfragen im Evangelischen Kirchenbezirk Nürtingen, begleitete die Asylverfahren vieler Flüchtlinge aus der Demokratischen Republik Kongo. Sie beschäftigte sich intensiver mit der FDLR, weil sie von deren Grausamkeiten erfahren hatte. Im November 2008 stieß die Nürtingerin im Internet auf den Namen des Vizechefs der FDLR, Straton Musoni.

Wahl war schockiert, als sie herausbekam, dass Musoni sich nicht einmal zehn Kilometer von ihr entfernt im benachbarten Neuffen aufhielt. Ihrer Meinung nach haben Justiz und Behörden in dem Fall versagt. Es dauerte noch ein Jahr, bis Murwanashyaka und Musoni verhaftet wurden. Jetzt kommen sie vor Gericht. Sollten sie für schuldig gesprochen werden, droht ihnen lebenslänglich.

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