Die Folterfrage
Kommentar von Olaf Standke
Eine symbolträchtige Geste, die weitere Punkte bringen dürfte: Wenige Tage nach der Tötung von Osama bin Laden wollte sich Barack Obama am Donnerstagabend am Ground Zero in New York mit Angehörigen der Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 treffen. Meinungsumfragen zeigen, dass der USA-Präsident mit der Liquidierung des Staatsfeindes Nr. 1 in der Gunst seiner Landsleute kräftig zugelegt hat. Selbst auf Feldern, die nichts mit der Terrorbekämpfung zu tun haben, erhält der demoskopisch zuletzt arg abgestürzte Ex-Hoffnungsträger auf einmal bessere Noten. Allerdings ist die Freude im Weißen Haus nicht ungetrübt.
Nicht nur, dass Leute wie der oberste Verschwörungstheoretiker des Landes, Moderator Glenn Beck, vielsagend fragen, ob die Kommandoaktion nicht nur Show im Dienste eben dieser Umfragenwerte gewesen sei. Oder dass die Regierung bei wichtigen Punkten des Ablaufs in peinlicher Art zurückrudern und etwa zugeben musste, dass Bin Laden doch nicht bewaffnet war. Zwar stellt kaum jemand in den USA die Rechtmäßigkeit seiner Hinrichtung in Frage, doch durch die Hintertür rutscht Obama auf einmal erneut in eine Folterdebatte, die er längst beendet glaubte. Denn Republikaner möchten den Erfolg nur allzu gern der harten Hand der Bush-Regierungen zuschreiben: Erst die von ihm gebilligten »harschen Verhörmethoden« hätten überhaupt auf Bin Ladens Spur geführt. Obama scheut dieses Feld, denn hier hat er schon genug Probleme mit den eigenen Anhängern, nachdem er sein großes Wahlversprechen Guantanamo-Schließung bisher nicht erfüllte. Und ohne Mobilisierung der linksliberalen Basis dürfte der Wiedereinzug ins Weiße Haus kaum möglich sein.
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