Polareis schmilzt immer schneller

Gletscherschwund im Norden führt zu dramatischem Meeresspiegelanstieg

  • André Anwar, Stockholm
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Meeresspiegel könnte deutlich stärker ansteigen, als der UN-Klimarat vor vier Jahren vorausgesagt hat. Rund 150 Millionen Menschen könnten bis 2100 betroffen sein. Beim kommende Woche auf Grönland tagenden Arktischen Rat soll die alarmierende Prognose behandelt werden.

Wer nach Grönland reist, bekommt von den alten Fischern zu hören, dass die majestätischen Gletscher nur noch halb so groß aus dem Eismeer ragen wie vor 40 Jahren. Im Vorfeld der Tagung des Arktischen Rates in Grönland kommende Woche hat dessen Wissenschaftskomitee (AMAP) nun einen Bericht veröffentlicht, demzufolge der Meeresspiegelanstieg bis zum Jahrhundertwechsel noch viel dramatischer verlaufen wird als vom UN-Klimarat vor vier Jahren angenommen.

Laut AMAP soll der Meeresspiegel bis 2100 voraussichtlich um 0,9 bis 1,6 Meter ansteigen. 2007 hatte der Klimarat der UNO für den gleichen Zeitraum noch einen Anstieg von 19 bis 59 Zentimeter vorausgesagt. Die Periode von 2005 bis 2010 sei die wärmste je in der Arktis gemessene gewesen. »Zum zwischen 2003 und 2008 registrierten Meeresanstieg von jährlich drei Millimeter trugen die arktischen Gletscher, Eiskappen und das grönländische Inlandeis mit mehr als 40 Prozent bei«, heißt es im Bericht.

Sollte die Voraussage des eher für konservative Berechnungen bekannten AMAP stimmen, dürfte dies dramatische Konsequenzen für jene 150 Millionen Menschen haben, die derzeit auf Landflächen leben, die weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel liegen. Der Schutz vor Überschwemmungen ist kostspielig und gerade bitterarme Länder wie Bangladesch haben dafür nicht die Mittel.

Bei der auf Außenministerniveau stattfindenden Konferenz des Arktischen Rates am 12. Mai in der grönländischen Hauptstadt Nuuk soll die AMAP-Vorhersage eingehend behandelt werden. Gastgeber ist Dänemark, zu dem Grönland auf teilautonomer Basis gehört. Dem Arktischen Rat gehören weiterhin die Anrainerstaaten Russland, Kanada, Island, Norwegen, Schweden, Finnland und die USA an.

Umweltschützer kritisieren, dass es dem 1996 gegründeten Arktischen Rat vor allem um eine Koordination der Anrainerländer bei der Ausbeutung der Naturressourcen gehe. In eine immer eisfreiere Arktis könnten Fischfangflotten vordringen. Und die bislang größtenteils zugefrorene Nordost-Passage würde den Seeweg zwischen Europa und Asien immens abkürzen. Doch im Zentrum liegen Öl- und Gasvorkommen. Die Gebietsansprüche für 1,2 Millionen Quadratkilometer Arktis sind trotz Konventionen bislang rechtlich kaum geregelt.

Dass es bislang nicht zum offenen Streit kam, führen Beobachter wie Greenpeace darauf zurück, dass die Ausbeutung der Region wegen ihres noch vorhandenen dicken Eispanzers noch keine tagesaktuelle Frage sei. Das könne sich aber sehr schnell ändern, warnt die Umweltorganisation, die vor allem weitere Schäden in dem empfindlichen Ökosystems befürchtet.

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