Führerloses Pakistan
Kommentar von Roland Etzel
Es ist die Schwere des Anschlags, die ihn heraushebt. Dass er als Rache für Bin Laden ausgegeben wird, ist höchstens zusätzliche Provokation und irreführend. Dieses jüngste Selbstmordattentat in Pakistan ist eines unter vielen in diesem Jahr und den Jahren davor. Es zeigt einmal mehr, dass Pakistan unter einer sich auflösenden Staatsstruktur Chaos und Terror ausgeliefert ist. Das eine bedingt das andere. Seit dem erzwungenen Abtritt des Präsidentengenerals Musharraf und der Ermordung von dessen Rivalin Benazir Bhutto stehen dem Land seit drei Jahren ein schwacher Premierminister Gilani und ein Präsident Zardari vor, der dieses Amt einzig seinem Status als Witwer Bhuttos zu verdanken hat.
Die USA sehen das in ihrer südlichen Aufmarschbasis gegen Afghanistan seit längerem mit Unbehagen. Um so erstaunlicher ist ihre Unfähigkeit zu einem politischen Konzept gegenüber Pakistan. Mit immer mehr Geldern zur Finanzierung des pakistanischen Rüstungshaushalts will das Pentagon die Generäle in Islamabad bei Laune halten – und brüskiert sie dann mit dem Coup gegen Bin Laden vor ihrer Haustür; lässt sie vor aller Welt als nicht weiter beachtungswürdige Deppen dastehen, die – das ist die Botschaft, die bei den 170 Millionen Pakistanis ankommt – wohl auch einem Enthauptungsschlag durch den Erzrivalen Indien nichts entgegenzusetzen hätten. Die Taliban – oder wer auch immer den Anschlag vom Freitag ausführte – haben diese Annahme blutig unterstrichen.
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