»Stasi-Rache höhlt die Solidarität aus«

Egon Bahr rechnete mit der Gauck-Birthler-Jahn-Behörde ab

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Ausbleiben der inneren Einheit Deutschlands ist nach Auffassung des SPD-Politikers Egon Bahr auch dem Wirken der Stasi-Unterlagenbehörde geschuldet. Bei der Festveranstaltung zum 75. Geburtstag Manfred Stolpes in Potsdam sagte Bahr vor fast 700 Gästen: »Wir versöhnen uns eher mit unseren Nachbarn als mit uns selbst.«

Die Öffnung der Stasi-Akten in der praktizierten Form und die dabei durchgehaltene »penetrante Einseitigkeit« hätten einen Anteil daran, dass die innere Einheit bislang nicht zustande kam, unterstrich Bahr. Und den habe die Behörde »zweifellos zu verantworten«. Nach der Wende sei die »Stasi-Rache« gekommen, und die habe die vorhandene Solidarität ausgehöhlt. »Die Stasi-Behörde kann keine Gerechtigkeit schaffen«, rief Bahr. Schon gar nicht, weil die wichtigsten Akten vor dem Sturm auf die Normannenstraße 1990 vernichtet worden seien. »Ich hätte gern gewusst, welche Trojanischen Pferdchen Markus Wolf in die Bundesrepublik tragen ließ.« So aber seien nur die Aktenreste zur Auswertung geblieben, die die Ostdeutschen betrafen. Ein sinnvolles Urteil sei nicht möglich, »so lange BND und andere Geheimdienste ihre Akten verschlossen halten«.

Hart kritisierte Bahr den Plan des neuen Behördenleiters Roland Jahn, 47 einstige MfS-Mitarbeiter aus Gründen der »Sensibilität« aus der Behörde entfernen zu lassen. »Das stempelt Menschen ab. Und es stempelt die Behörden, in die sie versetzt werden sollen, als unsensibel ab.« Jahns Äußerungen würden wie eine Ankündigung klingen, »die Aufarbeitung auch über 2019 hinaus fortzusetzen«, tadelte der SPD-Politiker. Mit Verweis auf die deutsch-französische und die deutsch-polnische Vergangenheit sagte er: »Versöhnen ohne Vergessen ist möglich. Ob das auch die Behörde akzeptieren kann«?

Die Herstellung der inneren Einheit »verlangt von den Opfern die Bereitschaft zur Versöhnung«, mahnte Bahr. Gegen Manfred Stolpe sei eine »beschämende und verletzende Kampagne« gestartet worden, nachdem die politische Einheit Deutschlands hergestellt worden sei. Ihm wird bis heute eine intensive Stasi-Zuträgerei vorgeworfen. Dagegen sagte Bahr – als einstiger Verhandlungspartner Stolpes – an den Jubilar gewandt: In der BRD hätte man damals erwartet, dass Stolpe in Berlin »unverfälscht« berichten würde. Bahr sagte weiter, dass nach 1990 ein »Akt der Amnestie« angezeigt gewesen wäre, der alles außer schwerer Kriminalität hätte erfassen müssen. Dieser Plan sei gescheitert, weil sich CDU, SPD und FDP nicht hatten einigen können.

Der frühere Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, betonte in seiner Rede: »Man brauchte auch denjenigen, der die Leute aus dem Knast holt.« Huber warf einigen der durch Stolpe Unterstützten vor, dass sie gar nicht so genau wissen wollten, welche Umstände zu ihrer Freilassung geführt hatten. »Rückfragen wurden nicht gestellt.« So sei Manfred Stolpe mit seiner Verantwortung allein geblieben. Als Jurist und Konsistorialpräsident der Kirche hatte Stolpe dienstlichen Kontakt zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR.

Nach der Wende wurde Stolpe erster Ministerpräsident des Landes Brandenburg und regierte dort bis 2002. Seite 14

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