Wahlkampftheater
Die Grünen diskutierten wort- und phrasenreich über Vielfalt auf Berliner Bühnen
Eine laue Frage-Antwort-Runde war die 62. Ausgabe des Kultursalons an der Volksbühne. Die Grünen-Abgeordnete Alice Ströver lud als Kulturexpertin am Donnerstag in den Roten Salon, um über »Diversity in der Theaterlandschaft« zu diskutieren.
Wer die Ankündigung gelesen hatte, der konnte über den Verlauf des Abends schon eine Vorahnung haben. Der Theaterbetrieb müsse sich positionieren, heißt es darin – zu »Projektarbeit in prekärer Beschäftigung«, »Innovationsdruck« oder »AlltagsexpertInnen«. Die Aufzählung von 15 Schlagworten ist sperrig. Armin Petras vom Maxim Gorki Theater fand zu diesem Brainstorming eine eigene Haltung: »Theater ist Kunst«, meinte er schlicht. Er wolle sich keinen Tendenzen und Moden, keinem Leistungsdruck unterwerfen. Eine Aufführung erzeuge ein Bild, das die Zuschauer betrachteten – zwangsläufig ergebe sich daraus ein Dialog.
Die Berliner Theaterlandschaft sei »einmalig facettenreich«, besagt der Veranstaltungs-Flyer. Ströver hat sich alle Mühe gemacht, diese Vielfalt aufs Podium zu holen. Dort wurde es eng, so viele Theatervertreter waren da. Darunter Stefan Fischer-Fels, der künstlerische Leiter des Grips-Theaters für Kinder- und Jugendliche oder Gerlinde Altenmüller vom Theater Thikwa, das Stücke mit gehandikapten Menschen aufführt.
Als Gegenentwurf zur Dominanz des gut situierten deutschen Bildungsbürgertums in den Schauspielhäusern sieht sich das Ballhaus Naunynstraße. »In Berlin gibt es 168 Nationalitäten. Hinzu kommen viele unterschiedliche politische Standpunkte.« Darin sieht Shermin Langhoff, Leiterin des Hauses, ein Spektrum, um »neue deutsche Geschichten« auf die Bühne zu bringen.
Dabei seien die Schauspielhäuser längst »keine Ritterburgen« mehr für die Eliten, entgegnete ihr Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters (DT). Vielmehr solle das Theater ein Ort der Kommunikation zwischen Gesellschaftsschichten sein. Eine Durchlässigkeit müsse noch weiter forciert werden, damit die Spielstätte als »Nagelprobe für die Demokratie« fungieren könne.
Soviel zu den Selbstverständnissen der Theatermacher. Alice Strövers Fragen riefen Statements hervor, brachten aber keine Diskussion in Gang. Natürlich waren alle Teilnehmer darauf vorbereitet, über die Finanzierung der Bühnen zu sprechen. Die öffentlichen Zuschüsse der vertretenen Häusern auf dem Podium gehen extrem weit auseinander – »zwischen null und 19 Millionen pro Jahr«, wie Ströver feststellte.
Als Nicole Oder vom Heimathafen Neukölln zaghafte Kritik an dieser ungleichen Verteilung übte, erklärte Khuon postwendend: »Wenn der Berliner Kulturhaushalt gerade einmal zwei Prozent des Gesamthaushalts ausmacht, dann ist mir das zu wenig« – schließlich diene das Theater der Selbstreflexion einer Stadt. Für einen kurzen Moment flammte das auf, was eigentlich von einer Diskussion zu erwarten war, die Ströver als Oppositionspolitikerin im Wahlkampf moderierte. Doch auch das Jammern der Kulturschaffenden über die fehlenden Mittel hielt sich in Grenzen.
Der Austausch konzentrierte sich vielmehr auf die Arbeit der Häuser und die Konzepte, mit denen das Theater populärer werden soll. Stefan Fischer-Fels vom Grips-Teater bemängelte die Hysterie um die Pisa-Studie. Diese führe dazu, dass die Lehrer nur noch rechnen ließen und keine Theaterfahrten mehr organisierten. Er schlug vor, dass es Theater auf Rezept geben müsse: Nicht nur Obst, auch Schauspiel gehöre zur Grundversorgung eines Menschen.
Da schimmerte sie wieder durch, die fehlende Anerkennung der darstellenden Künste und einhergehend damit die Abwehr des Vorwurfs, zwar schön aber brotlos zu sein. Hierzu demonstrierte Armin Petras Gelassenheit: Es bringe gar nichts, sich allzu sehr auf die Zuschauerzahlen zu fixieren; Kassenschlager führten selten zu Diversität. Er wolle sich nicht mit dem öffentlichen Zuspruch rechtfertigen müssen.
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