Peru wählt »zwischen Krebs und Aids«
Kehren die Fujimoris nach der Stichwahl um die Präsidentschaft wieder an die Macht zurück?
Die Umfragen lassen ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwarten: Demnach liegt Keiko Fujimori vor der Stichwahl in Peru knapp vor Ollanta Humala. 15 Prozent der Stimmberechtigten haben sich noch nicht entschieden.
Ollanta Humala, der 48-jährige ehemalige Armeeoffizier, dem gerne das Etikett »Linksnationalist« angeheftet wird, war mit knapp 32 Prozent als Erstplatzierter aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 10. April hervorgegangen. Keiko Fujimoris bisher größtes politisches Verdienst ist es, die Tochter des wegen Menschenrechtsverbrechen und Korruption im Gefängnis sitzenden früheren Präsidenten Alberto Fujimori zu sein. Die 36-Jährige hatte es mit knapp 24 Prozent der Stimmen in die zweite Runde geschafft.
Schriftsteller Vargas Llosa hält eigentlich beide Kandidaten für unwählbar. Doch in Peru herrscht Wahlpflicht. Und wer von den rund 17 Millionen Wahlberechtigten keinen triftigen Grund nachweisen kann, muss zur Wahlurne gehen.
Dass die Fujimoris wieder an die Staatsspitze gelangen könnten, ist nicht nur für Vargas Llosa ein Albtraum. Ende Mai zogen Zehntausende Demonstranten durch die Straßen der Hauptstadt Lima und mahnten, die Verbrechen während der Fujimori-Präsidentschaft nicht zu vergessen. 1990 war Vargas Llosa selbst in der Stichwahl ums Präsidentenamt gegen den damals wenig bekannten Alberto Fujimori unterlegen. Fujimoris Amtszeit endete im Jahr 2000, als sein diktatorisches Regime zusammenzubrechen drohte, mit seiner Flucht nach Japan. Wegen Einsatzes von Todesschwadronen wurde Fujimori 2009 zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Zahlreiche seiner einstigen Mittäter beschäftigen noch heute die peruanische Justiz. Die Namen der Personen in Keikos Wahlkampf- und Beraterteam lesen sich wie ein Auszug aus den Ermittlungsakten.
Dennoch hat Keiko Fujimori die besseren Chancen. Während Humala in den meinungsmachenden Medien zwar nicht plump, aber doch subtil als getarnter Hugo Chávez abgehandelt wird, darf Keiko Sicherheit ausstrahlen. Als Reaktion hat Vargas Llosa Anfang der Woche seine wöchentliche Kolumne in der konservativen Tageszeitung »El Comercio« aufgekündigt. Die Zeitung habe sich »in eine Propagandamaschine für die Kandidatur Keiko Fujimoris« verwandelt und versuche mit allen Mittel einen Wahlsieg Humalas zu verhindern, schreibt er. »El Comercio« gehört zu einem der größten Medienunternehmen Perus.
Doch nicht nur deshalb hat Keiko die besseren Karten. Sie hat sich die Unterstützung zweier im ersten Wahlgang gescheiterter Kandidaten gesichert. Vor wenigen Tagen lächelten Pedro Pablo Kuczynski und Luis Castañeda gemeinsam mit Keiko Fujimori in die Kameras. Eindeutiger kann die rechte Wirtschaftselite nicht demonstrieren, auf wen sie am Sonntag setzt. Aber nicht nur das. Mercedez Aráoz lächelte ebenfalls von den Fotos. Sie war die Kandidatin des scheidenden Präsidenten Alan García und seiner als sozialdemokratisch geltenden Partei, war aber nicht zur Wahl angetreten.
Zudem genießt Keiko Fujimori die Unterstützung des Wirtschaftswissenschaftlers Hernán de Soto, der schon Vater Alberto beraten hatte. De Sotos These ist, Armut könne durch die Vergabe von Besitztiteln für Haus und Hof bekämpft werden. Wer einen Besitztitel vorweisen kann, ist kreditwürdig und kann investieren, argumentiert er einfach und bestechend. Die Regulierung und Anerkennung von Besitztiteln für die arme Bevölkerung ist Keiko Fujimoris großes Wahlversprechen für die Bewohner der Armenviertel.
Und Ollanta Humala? 2006 war er schon einmal in der zweiten Runde gescheitert, damals gegen Alan García. Dass er seinen Stimmenvorteil aus der ersten Runde nicht entscheidend ausbauen konnte, liegt nicht nur am geschickten Vorgehen seiner Kontrahentin. Den Medien ist es tatsächlich gelungen, Humala als Eiertänzer darzustellen, der angeblich jede Woche einen anderen Regierungsplan vorlegt. Und Humala ist es nicht gelungen, diesem Eindruck glaubhaft entgegenzutreten. Sollte er am Sonntagabend dennoch die Nase vorn haben, verdankt er das den Stimmen jener, die wie Mario Vargas Llosa alles außer Fujimori hinzunehmen bereit sind.
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