Politik-Primat
Standpunkt von Kurt Stenger
Hand aufs Herz: Wer hätte gedacht, dass die schwarz-gelbe Koalition die im vergangenen Herbst mit großen Brimborium verabschiedete Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke jemals zurücknehmen würde? Union und FDP schienen zu stark verfilzt zu sein mit der Lobby der Energiekonzerne, denen man die meisten Wünsche zu erfüllen bereit war. Und jedes noch so dumme Pro-AKW-Argument beteten die Koalitionäre brav nach. Auch wenn bei der Atomgesetznovelle und den Details der schwarz-gelben Energiewende vieles im Argen liegt – vom gestrigen Tag geht eine wichtige Botschaft aus: Im Energiebereich ist das Primat der Politik zurückgekehrt. Plötzlich trifft sich die Regierung nicht mehr mit den Konzernchefs von RWE, E.on & Co. und lässt sich auch von deren Klagedrohungen nicht erpressen. Der lautstarke Anti-AKW-Protest kann sich dies auf seine Fahnen schreiben, und die schweigende, atomkraftkritische Mehrheit wurde nicht ignoriert.
Allerdings heißt (Real-)Politik eben auch: windelweiche Kompromisse, Rücksichtnahme auf die einflussreichen Energiewende-Gegner in den schwarz-gelben Reihen – und vor allem die Möglichkeit einer erneuten Kehrtwende. Daher heißt der gestrige Koalitionsbeschluss noch lange nicht Dezentralisierung der Energieversorgung, Bürgerwindparks, Stärkung demokratisch kontrollierter Stadtwerke, massive Energieeinsparung, Mieterrechte. Primat der Politik bedeutet eben etwas anderes als Primat der Demokratie.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.