Mafia in der Serie A
Italiens Wettskandal erreicht die erste Liga
Lange schien der neue Betrugsskandal in Italiens Fußball vornehmlich untere Ligen zu betreffen. Nach ersten Verhören werden aber auch Serie-A-Vereine in den Strudel hineingezogen. Spuren führen ebenfalls zur Mafia. Die Erregungskurve steigt.
»Die Mafia ist an allem interessiert, was Geld bringt«, bringt Raffaele Cantone, ein früherer Jäger der Camorra und jetziger Richter am Kassationsgericht in Rom, die Sache auf den Punkt. Die Erkenntnis des Mannes, der vor sieben Jahren aufdeckte, wie die Camorra die Aktienmehrheit bei Lazio Rom erwerben wollte, erfährt im Zuge des Wettskandals im italienischen Fußball neue Bestätigung. »Es wurden derartig hohe Wetteinsätze getätigt, dass wir Geldwäsche durch mafiose Organisationen nicht ausschließen können«, gab Staatsanwalt Roberto Di Martino aus Cremona bekannt. Dem ehemaligen Kapitän von AS Bari, Antonio Bellavista, werden Kontakte zur Verbrecherorganisation Sacra Corona Unita nachgesagt.
Während in der Cremona-Ermittlung die Mafiavorwürfe vage bleiben, kam von Cantones alter Arbeitsstätte, der Staatsanwaltschaft Neapel, die Nachricht: »Wir ermitteln in einem Komplex von Wettmanipulationen und organisierter Kriminalität in großem Maßstab. Es handelt sich um Betrügereien bei nationalen und internationalen Wettagenturen.«
Das passt ins Bild. Die staatliche Wettaufsicht AAMS errechnete 2010 in Italien einen Umsatz von 60 Milliarden Euro bei legalen Wetten und weiteren 60 Milliarden bei illegalen. Dort sei die Mafia aktiv, bestätigte ein Ermittler aus Neapel: »Sie installiert Spielautomaten und ›vergisst‹, sie ans staatliche Kontrollsystem anzuschließen. Sie lässt Wetteinsätze auf den Straßen sammeln, wälzt die Verluste der eigenen Bank über gefälschte Wettscheine an die legalen Wettanbieter ab und holt sich über Gewinnerlöse sauberes Geld ab«. Dies ergab schon die Ermittlung »Golden Goal«, Vorläufer der aktuellen Operation »Last Bet«.
Inwieweit die Mafia Einfluss auf das Spielgeschehen nahm, ist unklar. Ermittlungen in Neapel ergaben, dass unterklassige Vereine aus Kalabrien der Camorra vorab Spielergebnisse »meldeten« und so »sichere Tipps« ermöglichten.
In der Serie A sollen einige Klubmanager diese Absprachen ganz ohne die Mafia getätigt haben. Diese Vermutung legt eine aktuelle Äußerung von Staatsanwalt Di Martino nahe: »Ich habe den Eindruck, dass in der Serie A Spiele nach Absprachen auf Vereinsebene verschoben wurden. Das hat nichts mit Wetten zu tun, sondern nur mit Vorteilen für die Vereine.«
Gegenwärtig stehen vier Spiele der Serie A im Fokus: Florenz - AS Rom (2:2), Lecce - Cagliari (3:3), CFC Genua - Lecce (4:2) sowie Inter Mailand - Lecce (0:1). Während die ersten drei Partien nur vom Hörensagen eines Verdächtigen als belastet gelten, gibt es bei Inter - Lecce starke Hinweise auf eine versuchte Manipulation. Der mit einer halben Million Euro Wettschulden belastete Drittliga-Torhüter Marco Paoloni hatte Gläubigern suggeriert, er könne für drei Tore garantieren. Als das Spiel nur 1:0 endete, erhielt er Morddrohungen vom Steuerberater des Ex-Nationalspielers Giuseppe Signori. Der musste nun zum Verhör vor Gericht erscheinen.
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