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Gängige politische Korruption?
Christoph Lütgert über das Netzwerk des Carsten Maschmeyer / Lütgert (66) war bis zu seinem Ruhestand 2010 Chefreporter des NDR
ND: Der ehemalige Chef des Finanzdienstleisters AWD, Carsten Maschmeyer, gilt als ein Unternehmer mit vielen Freunden in der Politik. Positiv formuliert ist Maschmeyer ein guter Netzwerker. Kritiker wie der Politikberater Albrecht Müller bezeichnen sein Netzwerk dagegen als Beispiel für eine »gängige politische Korruption«. Wie fällt Ihr Urteil aus?
Lütgert: Zumindest in der Vergangenheit hatte Carsten Maschmeyer die allerbesten Kontakte in die politische Spitze. Eigentlich müsste jeder Politiker wissen, auf welche fragwürdige Weise dieser Mann zu Reichtum gekommen ist. Verbraucherschützer haben belegt, dass AWD seine Kunden tausendfach schlecht beraten und damit um ihr Geld gebracht hat. Politiker drängten sich aber geradezu danach, mit Maschmeyer in Verbindung gebracht zu werden. Dass Maschmeyer beim Knüpfen seines Netzwerkes so erfolgreich war, ist also das eigentliche Problem.
Sie haben in der TV-Dokumentation »Der Drückerkönig und die Politik« auf die fragwürdigen Kontakte zwischen Maschmeyer und Politikern hingewiesen. Im Kern geht es u.a. darum, dass AWD vom Umbau des Rentensystems maßgeblich profitiert hat. Einer der kritisierten Maschmeyer-Freunde ist der ehemalige Arbeitsminister Walter Riester, der heute als Redner auf AWD-Veranstaltungen auftritt. Wie haben die kritisierten Politiker reagiert?
Offene Reaktionen gibt es nicht. Es gibt aber ein Indiz dafür, dass die öffentliche Kritik Wirkung gezeigt hat. Anfang Mai teilte Carsten Maschmeyer mit, dass die jährliche große Feier zu seinem Geburtstag ausfallen wird. Begründet hat er das in einem Schreiben an die Leute, die er einladen wollte, mit der fadenscheinigen Begründung, dass der Medienrummel um seine Person zu groß sei und er seine Gäste nicht zum Opfer sensationslüsterner TV-Teams machen will. Ich vermute eher einen anderen Grund.
Welchen?
Ich weiß, dass zumindest einige von Maschmeyers früheren Freunden in der Politik nicht mehr öffentlich zusammen mit ihm gesehen werden wollen. Möglicherweise hat er die große Geburtstagsfeier also deshalb abgesagt, weil er befürchten musste, dass er sich einige Absagen einhandeln wird.
Gibt es Politiker, die die frühere allzu große Nähe zu Maschmeyer heute als Fehler betrachten?
Offen sagt das keiner. Es gibt Gerüchte, wonach der eine oder andere nach den Veröffentlichungen über die AWD-Geschäftspraktiken durchaus selbstkritisch eine zu große Nähe zu Maschmeyer eingestanden hat. Andererseits gibt es aber auch den ehemaligen Wirtschaftsweisen Bert Rürup, der mit Maschmeyer weiterhin eine gemeinsame Beraterfirma betreibt.
Maschmeyer lehnt Ihre Interviewanfragen nach wie vor kategorisch ab. Es soll TV-Sender geben, die in solchen Fällen den Reporter austauschen, um Kompromissbereitschaft zu signalisieren.
In dieser Angelegenheit ist der NDR kompromisslos und steht eindeutig hinter mir. Ich habe auch keine Zwischentöne vernommen, die mir und meinem Team – ich habe ja die Dokumentation nicht allein produziert, sondern zusammen mit wirklich guten Journalisten und Rechercheuren – nahelegen würden, den Finger weniger schmerzhaft in die Wunde zu legen.
Fragen: Jürgen Amendt
Terminhinweis: Heute diskutiert Christoph Lütgert auf Einladung der LINKE-Vorsitzenden Gesine Lötzsch (Linkspartei) in Berlin über den Einfluss von Wirtschaftslobbyisten auf Politiker am Beispiel von AWD und Carsten Maschmeyer (18.30 Uhr, Kiezspinne, Schulze-Boysen-Straße 38, 10365 Berlin)
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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