PR-Kampagne für das schwimmende AKW
Russischer Atomkonzern wirbt vor Ort für sein umstrittenes Projekt / Umweltschützer warnen
Ab 2013 soll vor der Stadt Wiljutschinsk unweit von Petropawlowsk im Süden der russischen Halbinsel Kamtschatka das schwimmende Kraftwerk »Akademik Lomonossow« vor Anker gehen. Das Projekt hat Pilotcharakter, schließlich will der Konzern Rosenergoatom nach eigenen Angaben noch mindestens sieben schwimmende Atomkraftwerke in Russland bauen.
Bei einem Runden Tisch im Petropawlowsker Forschungsinstitut für Fischwirtschaft und Ozeanografie warben der Betreiber und auch Wissenschaftler am Mittwoch für das Projekt. Schwimmende Atommeiler gehörten weltweit zu den 30 innovativsten Projekten, resümiert das Internet-Portal »atomic-energy.ru« die Diskussion. Das schwimmende Atomkraftwerk zeichne sich durch seine Sicherheit und seinen Erdbebenschutz aus. Langfristig würde die neue Anlage dämpfend auf die Strompreise der Halbinsel wirken. Der kostenintensive Transport fossiler Brennstoffe in die kaum erschlossene Region ließe sich deutlich reduzieren. Auch die Umwelt werde profitieren, versprach Michail Schurotschkow von Rosenergoatom. Er kündigte ein Projekt für die in den Seen der Region vom Aussterben bedrohten Rotlachse an. Mit hoch effektiven Vorrichtungen wolle man im Meer die Fischwelt in der Nähe des schwimmenden Kraftwerkes schützen.
Die Vertreter des Atomkonzerns kündigten ferner an, man werde die Auswirkungen der Anlage auf die Umwelt in einem eigens entwickelten Monitoring-Verfahren beobachten. Doch Wiljutschinsk, wo das Atomschiff vor Anker gehen soll, ist eine geschlossene Stadt. Und in Sperrgebieten gelten andere Gesetze. So dürfen internationale Umweltorganisationen wie Greenpeace hier keine Büros einrichten. Wer geschlossene Städte betreten darf, bestimmen Atomwirtschaft und Militär. Ein unabhängiges Umweltmonitoring wird unter diesen Bedingungen wohl kaum möglich sein.
Die mit zwei 35-Megawatt-Reaktoren bestückte antriebslose »Akademik Lomonossow« ist für eine Laufzeit von 38 Jahren ausgelegt. 64 Personen pro Schicht sollen auf dem 140 Meter langen und 30 Meter breiten schwimmenden Kraftwerk arbeiten. Die sogenannten KLT-Reaktoren werden auch in russischen Eisbrechern als Antrieb eingesetzt. Die Brennelemente bestehen aus um 30 bis 40 Prozent angereichertem Uran. Dies ist zehn Mal höher als bei gewöhnlichen Atomkraftwerken. Sollten sie in unbefugte Hände geraten, warnen Kritiker, seien die Folgen nicht mehr kontrollierbar. Auch sei nicht absehbar, wie sich ein möglicher Tsunami oder ein Erdbeben in der seismisch aktiven Region auf das schwimmende Kraftwerk auswirken werden. Und wo, fragen Umweltschützer besorgt, gedenke man, den Atommüll zu lagern?
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