Kein Platz mehr für Ballack
Bundestrainer Löw verzichtet künftig auf den langjährigen Kapitän
Schon sehr früh weiß Michael Ballack was er will. »Machen Sie sich um mich keine Sorgen, ich werde Profifußballer«, sagt er Margitta Teucher. Sie ist seine Lehrerin an der Kinder- und Jugendsportschule in Karl-Marx-Stadt – auch noch am Sportgymnasium Chemnitz, wie die KJS später heißt. 1995 macht Ballack dort zur Freude seiner Lehrerin das Abitur und sein Versprechen wahr: Beim Chemnitzer FC erhält er seinen ersten Profivertrag und debütiert am 4. August am 1. Spieltag der 2. Bundesliga gegen den VfB Leipzig.
»Man muss immer Ziele haben, sie sind wichtig für die Motivation«, sagt Michael Ballack und ist 16 Jahre später immer noch Profi. Seit gestern hat er ein Ziel weniger. Immer wieder hatte er in den letzten Monaten betont, dass er unbedingt bei der Europameisterschaft 2012 dabei sein will. Doch Joachim Löw plant ohne den 34-Jährigen: »Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass viele junge Spieler in den Blickpunkt gerückt sind und gute Perspektiven besitzen. Mit ihnen ist die Entwicklung der Nationalmannschaft seit der WM 2010 absolut positiv verlaufen«, vermeidet der Bundestrainer klare Worte – wie schon in der ganzen Zeit nach dem erfolgreichen Abschneiden ohne Ballack in Südafrika. Erst im Ganzen gelesen, wird die Pressemeldung des Deutschen Fußball-Bundes konkret: »Michael Ballack wird künftig nicht mehr dem Kader deutschen Nationalmannschaft angehören.«
Weil Ballack auf das vom DFB angebotene Abschiedsspiel am 10. August gegen Brasilien wohl verzichten wird, bleibt die Partie gegen Argentinien wahrscheinlich sein letztes Länderspiel. Am 3. März 2010 führte er die DFB-Elf beim 0:1 zum 55. Mal als Kapitän aufs Feld. Der Abschied mit einer Niederlage passt ebenso zu seiner internationalen Karriere wie die Zahl seiner Länderspiele. Mit 98 Einsätzen bleibt die Tür zum »Club der Hunderter« verschlossen.
Nationale Trophäen und persönliche Ehrungen sammelt Michael Ballack reichlich. Mit Kaiserslautern, dem FC Bayern und Chelsea London wird er mehrfach Meister und Pokalsieger und gewinnt dreimal die Wahl zu Deutschlands Fußballer des Jahres. Sein »großes Ziel«, ein internationaler Titel, verpasst er aber – mehrmals auf tragische Weise. Mit Leverkusen 2002 und dem FC Chelsea 2008 scheitert er im Champions-League-Finale jeweils denkbar knapp.
Im WM-Halbfinale 2002 schießt er die DFB-Elf mit seinem Tor ins Endspiel. Kurz zuvor verhindert er gegen Südkorea in höchster Not einen Gegentreffer, sieht Gelb und ist im Finale gesperrt – der Weltpokal geht nach Brasilien. Das WM-Halbfinale 2006 verliert die deutsche Mannschaft mit »Capitano« Ballack, wie Jürgen Klinsmann seinen Spielführer nennt, gegen Italien erst in der Verlängerung. Im EM-Endspiel 2008 ist Spanien eine Nummer zu groß. Die »schlimmste Diagnose« in seiner Karriere verhindert die dritte WM-Teilnahme. So erlebt Michael Ballack nach dem Innenbandriss und dem Teilriss der Syndesmose im rechten Sprunggelenk ab dem 15. Mai 2010 einen Abschied auf Raten aus der Nationalmannschaft.
Und was kommt jetzt? Er wird bei Bayer Leverkusen alles daransetzen, das Urteil von Löw mit entsprechenden Leistungen zu widerlegen. Seine Vergangenheit in Karl-Marx-Stadt ist dabei hilfreich: »Effektives Training, strenge Lehrer und Übungsleiter und eine gute Ausbildung, davon profitiere ich noch heute.«
Höhepunkte im Nationaltrikot
28.04.1999: Länderspiel-Debüt im Test gegen Schottland14.11.2001: Zwei Treffer zum Sieg im WM-Relegationsspiel gegen die Ukraine
25.06.2002: Siegtor im WM-Halbfinale gegen Südkorea – Vize-Weltmeister
18.08.2004: Erstmals Kapitän der Nationalelf im Test gegen Österreich
08.06.2006: WM-Dritter mit dem DFB-Team in Deutschland
29.06.2008: Vize-Europameister nach Finalniederlage gegen Spanien
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.